Johannes Gutmann, Sonnentor
"Leben und leben lassen. Damit ist für alle Platz. Viele Menschen haben das Credo: mir das Meiste und den anderen nix. So kann es nicht funktionieren."
BUSINESSART: Wir haben die Auszeichnung „Nachhaltige Gestalter*innen“ 2009 als eine Antwort auf die Wirtschaftskrise ins Leben gerufen weil wir zeigen wollen, dass es viele Unternehmen gibt, die sowohl wirtschaftlich als auch nachhaltig erfolgreich sind. Du warst 2009 der erste Nachhaltige Gestalter. Wie war das für dich?
Johannes Gutmann: Von der Wirtschaftskrise haben wir praktisch nichts gespürt – wir sind halt nicht zweistellig sondern nur um acht Prozent gewachsen. Durch die Auszeichnung habe ich Christian Felber kennengelernt und wir haben von da an den Weg der Gemeinwohlökonomie beschritten. Das ist auch aus heutiger Sicht das einzig richtige Pferd. Der Bericht zeigt alle Auswirkungen eines Unternehmens, vom Lärm, Abwasser, von offenen oder geschlossenen Kreisläufen über die Mitarbeiter*innen bis hin zum gesellschaftlichen Engagement. Es sind die Werte, die bleiben, und nicht das Geld.
Wie wirkt sich dieser Zugang in der Praxis aus?
Wir schreiben jährlich 50 Jobs aus für die sich 2.000 Leute bewerben. Wir sind eine „Love-Brand“, weil wir Sinn vermitteln. Beim Ranking des Magazins Gewinn im August 2019 waren wir als kleines Unternehmen auf Platz 11. Das ist eine Sensation.
Wir finden auch glückliche und erfolgreiche Franchise-Partner mit denen wir mittlerweile 30 Geschäfte eröffnet haben. Es hat uns keiner gebraucht, aber jeder will uns.
Kann Sonnentor auch ohne Wachstum erfolgreich sein?
Wichtig ist, dass man die Kosten und die Prozesse im Griff hat. Wir sind kein gieriges Unternehmen und es fällt uns immer wieder etwas Neues ein. So funktioniert es.
Was hat sich bei dir in den letzten 10 Jahren getan?
Die Verantwortung der Geschäftsführung ist heute auf vier Personen aufgeteilt. Daher habe ich Zeit für meine kleinen Kinder – das ist das Allerschönste. Ich habe Zeit, mehr auf die Entwicklung des Waldviertels zu schauen, mich zum Beispiel um Humusprojekte zu kümmern. CO2 zu kompensieren ist für mich selbstverständlich. Dass Kerosin nicht besteuert wird – das geht einfach nicht. Man muss anfangen, darüber reden, und dann beginnt es zu funktionieren. Da haben auch LEBENSART und BUSINESSART viel dazu beigetragen. Wir dürfen nicht aufhören bevor wir angefangen haben.
Wie gelingt es, die breite Masse der Menschen mitzunehmen?
Das wird erst dann sein, wenn es bei jedem brennt, wenn es weh tut, wenn es in den Städten zu heiß wird. Die wenigsten Menschen agieren, die meisten reagieren. Aber die kritische Masse wird kommen. Das einzige Problem ist, dass wir keine Zeit haben. Wenn die Temperatur um fünf bis sieben Grad steigt kann keiner mehr in den Niederlanden oder in Hamburg leben, die Küsten werden überflutet, Tornados werden wir auch in Europa erleben – es wird zu großen Flüchtlingswellen kommen, und zwar schneller als uns lieb ist.
Was sagst du zu den jungen Menschen von Friday for Future?
Für mich ist Greta eine kleine Heilige. Trotzdem: es gut ums Tun. Es müssen die Rahmenbedingungen geändert werden – wenn sich die Politik nicht darum kümmert wird sie viele Wählerstimmen verlieren.
Und wir alle sollten die Pappn aufmachen und Friday for Future unterstützen. Wenn wir das nicht tun werden wir unser Geldbörsel aufmachen müssen und es wird noch viel teurer werden. Es geht um Taten, um Zeit – jeder von uns hat 24 Stunden am Tag zur Verfügung.
Wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft aus?
Durch den Brexit werden die Fördergelder weniger werden. Ich wünsche mir, dass endlich wieder Arbeitsplätze und nicht Flächen gefördert werden, und darüber hinaus die Lebensmittelproduktion an die CO2 Speicherung zu binden. Eine Tonne Humus speichert 2,6 Tonnen CO2. Dazu gibt es schon viele tolle Ansätze: von der Biokohlevergasung bis zu Konzepten gegen das Waldsterben. Die klassische Mischkultur und die Permakultur sind im Gleichgewicht.
Was sind deine Zukunftsträume?
In Zwettl leben innerhalb der Stadtmauern nur mehr 252 Menschen – das Waldviertel stirbt aus. Da möchte ich nicht zusehen. Wir richten eben ein denkmalgeschütztes Haus her, wir nutzen alte Bauernhöfe damit dort Menschen gemeinsam leben können, alte und junge gemeinsam, ähnlich wie früher die Großfamilien.
Was kann uns Mut machen?
Alle Krisen sind Chancen für Jungunternehmer*innen. Es wird alles gebraucht.
Gibt es einen Satz deines Lebens?
Leben und leben lassen. Damit ist für alle Platz.
Viele Menschen haben das Credo: mir das Meiste und den anderen nix. So kann es nicht funktionieren.
Johannes Gutmann, Gründer & GF Sonnentor
Ort: Zwettl
Gegründet: 1988
Mitarbeiter*innen: 330 in Österreich und 150 in Tschechien.
www.sonnentor.at