Klimawandel:
Folgen, Anpassung, Verwundbarkeit
Der 6. Sachstandsbericht des IPCC ist erschienen. Die Mitautor*innen, Georg Kaser, Birgit Bednar-Friedl und Reinhard Mechler geben einen Überblick.
Birgit Bednar-Friedl, Universität Graz
Die globale Erwärmung von 1.1°C hat in Europa zu Verlusten und Schäden an Menschen, Ökosystemen, Ernährungssystemen, Infrastruktur, Energie- und Wasserverfügbarkeit, Gesundheit und Wirtschaft geführt.
Vier Hauptrisiken für Europa
- Die Zahl der Todesfälle und Menschen mit Hitzestress steigt bei 3°C um das Zwei- bis Dreifache gegenüber 1,5 °C globaler Erwärmung.Die Erwärmung wird den geeigneten Lebensraum für Ökosysteme verringern und ihre Zusammensetzung irreversibel verändern. Waldbrandgefährdete Gebiete werden sich ausdehnen.
- Für die meisten europäischen Gebiete werden erhebliche landwirtschaftliche Produktionsverluste aufgrund von Hitze und Dürre prognostiziert.
- In Südeuropa wird mehr als ein Drittel der Bevölkerung Wasserknappheit bei 2 °C globaler Erwärmung ausgesetzt sein; bei 3 °C verdoppelt sich dieses Risiko und nimmt auch in Westmittel- und Südeuropa und vielen Städte stark zu.
- Die Risiken für Menschen und Infrastrukturen durch Überschwemmungen an Küsten und entlang von Flüssen in Europa nehmen zu. Über 3 °C globaler Erwärmung können sich die Schäden durch Überflutungen, deren Kosten und die Anzahl der betroffenen Menschen verdoppeln.
Anpassung
Es gibt bereits heute ein wachsendes Spektrum an Anpassungsoptionen in Europa, viele mit hoher Wirksamkeit und Machbarkeit.
Die meisten Anpassungsoptionen an die Hauptrisiken hängen von begrenzten Wasser- und Landressourcen ab.
Die Umsetzung von Anpassung in Europa erfolgt jedoch nicht im erforderlichen Ausmaß, um die Risiken zu vermeiden.
Haupthindernisse sind begrenzte Ressourcen, mangelndes Engagement, unzureichende Mobilisierung von Finanzmitteln, mangelnde politische Führung und geringes Dringlichkeitsbewusstsein.
Städte
Europäische Städte sind Hotspots für zahlreiche Risiken wie steigende Temperaturen und extreme Hitze, Überschwemmungen und Dürren.
Klimaresiliente Entwicklung ist in europäischen Städten sichtbar, insbesondere in Form von grüner Infrastruktur, energieeffizienten Bauen und wenn ein Zusatznutzen z. B. für die Gesundheit und Biodiversität entstehen.
Georg Kaser, Universität Innsbruck
Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit des Planeten.
Jede weitere Verzögerung eines global konzertierten Handelns wird ein kurzes und sich schnell schließende Zeitfenster verpassen und die Sicherung einer lebenswerten und nachhaltigen Zukunft gefährden.
Ein Blick in die Berge
- Die Anzahl Menschen, die abhängig vom Wasser aus den Bergen sind, hat sich von 0,6 Mrd in den 1960ern auf 2 Mrd erhöht.
- Klima-bezogene Katastrophen in den Bergen haben in den letzten 30 Jahren zugenommen.
- Milliarden EUR von Investitionen in Energieproduktion sind klima-bezogenen Risiken ausgesetzt (Schlammlawinen, Felsstürze, Hoch-wasser, etc).
- Ökosysteme, Landwirtschaft und Tourismus sind ebenfalls stark vom Klimawandel betroffen.
Bergregionen sind stark und vielfältig vom zukünftigen Klimawandel betroffen
- Tiefer gelegene Gletscher gehen bereits bei 1.5°C verloren. In hohen Gebirgen und höheren Breiten können bei 1,5°C ca. 50% der Gletscher erhalten bleiben.
- Von Gletscher- und Schneeschmelze abhängige Regionen müssen mit einer saisonalen Reduktion des Wasserangebots bis zu 50% rechnen.
- Starke Zunahme von Hangrutschungen & Hochwasser sowie Wasserknappheit von 1.5 zu 3°C (spez. für Anden, Himalaya, Zentralasien)
- Irreversible Verluste für kulturelle Identitäten und Lebensweisen.
Reinhard Mechler, IIASA
Globale Auswirkungen, Risiken und Anpassung
- Globale Erwärmung um 1,1°C hat bereits weitreichende Konsequenzen für Ökosysteme und Milliarden von Menschen.
- Die Risiken sind dort am höchsten, wo Arten und Menschen in Nähe thermischer Grenzen leben, entlang von Küsten, in enger Verbindung zur Kryosphäre oder Flüssen.
- 50% der Weltbevölkerung sieht sich jedes Jahr schwerer Wasserknappheit ausgesetzt
- Mehr als 3 Milliarden Menschen sehr vulnerabel: West-, Zentral- und Ostafrika, Südasien, Zentral- und Südamerika, SIDS, und Arktis
- Klimafolgen zunehmend menschgemachtem Klimawandel zugeschrieben
Bei weiterer globaler Erwärmung nehmen Risiken zu, Anpassungsgrenzen werden erreicht
- Anpassungsgrenzen werden erreicht:
o Hart: Korallenriffe, Küstenfeuchtgebiete, einige Regenwälder, einige Gletscher und Gebirgsökosysteme
o Weich: küstennahe Siedlungen, Subsistenzlandwirtschaft - Wenn globale Erwärmung in naher Zukunft 1,5 °C überschreitet, werden unvermeidbare Zunahmen mehrerer Klimagefahren verstärkte Risiken für Ökosysteme und Menschen bedeuten
- 16-facher Anstieg von Risiken von Hitzewellen bei 2.5°C Erwärmung
- 1 Milliarde Menschen Risiken von Meeresspiegelanstieg ausgesetzt bis 2050
Risikomanagement und Anpassung
- Signifikante Anpassungsfortschritte: in mindestens 170 Ländern Anpassung in Klimapolitik aufgenommen und viele Städte integrieren Klimawandel in Planungsprozesse
- Anpassungslücken vergrößern sich jedoch in vielen Regionen - finanzielle, institutionelle, technische, institutionelle Faktoren
- Anpassungsgrenzen – einige natürliche und menschliche Systeme befinden sich schon nahe ihrer Anpassungsgrenzen und zusätzliche entstehen mit zunehmender globaler Erwärmung
- Risiken komplex und systemisch: Kaskadeneffekte, transnationale und –regionale Risiken
- Anpassungsanstrengungen erhöhen –Transformation: Aktuelle Bemühungen intensivieren, ex situ Anpassung planen
Dringlichkeit: Risiken und Chancen
- Klimaschutz forcieren: Erwärmung > 1,5 ° C mit existentiellen und irreversiblen Auswirkungen
- Klimaanpassung: nationale und internationaleAnpassungslücken schliessen, inklusive Klimafinanzierung
- Umgang mit Residualrisiken (Loss and Damage): Soziale Sicherungssysteme und Risiko-Fonds
- Klimaresiliente Entwicklung implementieren
o Urbanisierungstrends und Transformationen nutzen
o Ökosysteme stabilisieren und Biodiversität schützen
o Erhöhte Dringlichkeit!