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Mammutaufgabe EU-Taxonomie

MAMMUTAUFGABE EU-TAXONOMIE
Gespräche aus der Praxis. Das Titelbild in Türkistönen zeigt einen Turm aus Spieljetons an welchem eine Leiter lehnt.
Foto: Rodion Kutsaiev

Wir haben es mit einer Verheiratung von Finanz- und Umweltkennzahlen zu tun. Dazu brauchen wir Kennzahlen, die in dieser Form davor noch nicht existiert haben“, erklärt Lydia Jarmer, CSR und Umweltmanagerin der Post AG, die große Herausforderung bei der Umsetzung der EU-Taxonomie. Die rechtlichen Vorgaben bedingen einen hohen administrativen Aufwand, der innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne umzusetzen ist. „Die EU, die Unternehmen und auch wir Banken haben damit vollkommenes Neuland betreten und es gibt sehr viele Bereiche, die neu gedacht werden müssen“, sagt Herta Stockbauer, Vorstandsvorsitzende der BKS Bank.

Um die EU-Taxonomie ins Unternehmen zu integrieren, haben die ÖBB mit einer „Betroffenheitsanalyse“ gestartet, um herauszufinden, welche Wirtschaftsaktivitäten im Konzern von der EU-Taxonomie betroffen sind. Die als taxonomiefähig eingestuften Aktivitäten sind beispielsweise die Herstellung von CO2-armen Verkehrstechnologien, Personenbeförderung im Eisenbahnfernverkehr, Schienenverkehrsinfrastruktur oder auch die Renovierung bestehender Gebäude. „Im nächsten Schritt wurden die als taxonomiefähig identifizierten Wirtschaftsaktivitäten auf ihre Taxonomiekonformität überprüft“, berichten Cornelia Walch, Konzernkoordinatorin Nachhaltigkeit der ÖBB Holding und Melanie Kornfeld, Stab Kommunikation – INFRA Nachhaltigkeit, ÖBB-Infrastruktur.

Drei „grüne“ Kennzahlen und viel Interpretationsspielraum

Die berichtspflichtigen Unternehmen müssen drei „grüne“ Kennzahlen ermitteln und erläutern:

  1. den EU-taxonomie-konformen Anteil des Umsatzes,
  2. die Investitionsausgaben im Einklang mit der Taxonomie und
  3. die Betriebsausgaben im Einklang mit der EU-Taxonomie

Weiterführende Links

\\ Der EU Taxonomy Navigator erklärt die Zielsetzungen der Taxonomie, bietet einen groben Überblick und Empfehlungen zur Vorgangsweise.

\\ Ganz konkrete sektorspezifische Hilfen (z.B. für Gebäude) bietet Klimaaktiv zum Gratis-Download.  

\\ Auf dem OeKB > ESG Data Hub können Unternehmen können mittels standardisierter Fragebögen ESG-Daten sammeln und verwalten und mit ausgewählten Kreditinstituten teilen.

\\ Spezialisierte private Anbieter wie z.B. Climcycle oder FS Taxonomy.

In der Praxis zeigt sich in der Auslegung der einzelnen Kennzahlen und wie diese zu berechnen sind, viel Interpretationsspielraum. Das betrifft einerseits die Berichterstattung, aber viel mehr noch die Investitionsentscheidungen. „Die Taxonomie hat das Ziel, Investitionsentscheidungen in Richtung Nachhaltigkeit zu beeinflussen. Große Investitionen mit entsprechend langen Vorlaufzeiten zu tätigen, ist mit der herrschenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich technischer Kriterien mit großem Risiko für Unternehmen behaftet. Ich gebe Ihnen ein Beispiel“, so Jarmer weiter: „Das Thema Dekarbonisierung war bei uns schon lange ein großes Thema und so haben wir uns in der EU-Taxonomie gut wiedergefunden. Jedoch ist der Großteil unserer E-Fahrzeuge nicht taxonomie-konform, weil die Reifen nicht den strengen Kriterien für Abrollgeräusch und Energieeffizienz entsprechen. Dadurch werden sie genauso schlecht wie ein 15 Jahre altes Diesel-Fahrzeug bewertet. Hier würden wir uns eine bessere Möglichkeit zur Abstufung wünschen.“ Dazu kommt, dass viele Branchen noch nicht von der Taxonomie erfasst sind und ein Vergleich der Kennzahlen über Branchen hinweg faktisch nicht möglich ist. Jarmer: „Auch innerhalb einer Branche können Unternehmen nur sehr schwer miteinander verglichen werden, da doch Unterschiede in den Geschäftsbereichen bestehen. Eine reine Beschränkung auf die drei Taxonomie-Kennzahlen bei der Beurteilung eines Unternehmens ist daher aus unserer Sicht nicht ausreichend.“ Die Angaben zur Taxonomie bieten jedenfalls (noch) kein umfassendes Bild der Nachhaltigkeit, sondern zeigen vorerst ein eingeschränktes Spektrum der Nachhaltigkeit des Unternehmens ohne ausreichende Berücksichtigung der sozialen Komponente.

Es braucht klare Zeichen des Finanzmarktes

Cornelia Walch und Melanie Kornfeld sind überzeugt, dass die EU-Taxonomie ein einheitliches Verständnis über ökologische Nachhaltigkeit im Konzern fördert. Zudem bestehe die Hoffnung, dass Unternehmen in Zukunft bei einer hohen Taxonomie-Konformitätsquote bessere Konditionen am Finanzmarkt erhalten. Für eine Evidenz wäre es allerdings noch zu früh.

Sabine Schellander, Co-Head of Sustainability Greiner AG, sieht die Taxonomie als Wegweiser, wie ein nachhaltiger Wandel vorangetrieben werden kann. „Schlussendlich wird es ein klares Zeichen des Finanzmarktes brauchen, damit wirklich etwas in Bewegung kommt. Darüber hinaus braucht es einfachere Zugänge zu Finanzierungen bzw. bessere Finanzierungsbedingungen. Im Moment ist der Mehraufwand für uns Unternehmen jedenfalls sehr groß“, so Schellander weiter.

Tipp für Ihr Unternehmen: Jetzt anfangen!

Es ist deutlich komplizierter, als man denkt – fangen Sie lieber jetzt gleich an, sich mit der EU-Taxonomie zu beschäftigen!“ betont Schellander. „Eine schrittweise Umsetzung zahlt sich aus. Und tauschen Sie sich mit anderen Unternehmen aus. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.“ Dem schließt sich Jarmer an und betont die nötige interdisziplinäre Zusammensetzung der Teams, „um ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen der EU-Taxonomie zu gewinnen und im Sinne der Vergleichbarkeit Auslegungsfragen zu diskutieren und Best-Practice-Lösungen zu erarbeiten.

Susanne Hasenhüttl und Katharina Muner-Sammer, ÖGUT

Was will die EU-Taxonomie?

Um die globalen Klimaziele – die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen –voranzutreiben, muss mehr in nachhaltiges Wirtschaften investiert werden. Aber was ist nachhaltig? Hier setzt die EU-Taxonomie an, ein Klassifikationssystem, das harmonisierte Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten festgelegt hat. Langfristig sollen auch soziale Ziele integriert werden.

Seit dem Geschäftsjahr 2021 müssen alle Unternehmen, die bereits unter die vorherige Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten fallen, sowie Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen, die EU-Taxonomieverordnung anwenden. Banken müssen prüfen, ob ihre Finanzierungen von der Taxonomie erfasst und auch taxonomie-konform sind, also wesentlich zu einem EU-Umweltziel beitragen. Die EU-Taxonomie soll in die Kreditentscheidung bzw. in die Risikoanalysen einfließen und muss auch bei nachhaltigen Finanzprodukten ausgewiesen werden.

Börsennotierte KMU kommen mit dem Geschäftsjahr 2026 in die Pflicht.

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