Marc Sarmiento
Österreichische Post AG
mit Sarah Pfoser, Manuela Schneider, Helmut Luxbacher, Günther Junkowitsch, Johannes Richter, Österreichische Post AG, FH OÖ, Tchibo, dm drogeriemarkt, INTERSPORT, Thalia Buch & Medien, Interspar Weinwelt.
Verpackungen haben durch den Online-Versand massiv zugenommen – und damit der Ressourcenverbrauch. Die Post hat 2021 mit fünf anderen Unternehmen ein Pilotprojekt gestartet: dm, Interspar Weinwelt, Intersport, Tchibo und Thalia verschickten ihre Waren in wiederverwendbaren Verpackungen aus Holzfaserstoff bzw. aus recyceltem PET statt Einwegtaschen und -kartons. Die Verpackung konnte nach Verwendung einfach zusammengefaltet und in den nächsten Briefkasten gesteckt werden – so kam sie wieder zurück zu den Handelsketten und konnte erneut verwendet werden.
Das Gespräch mit einem Nachbarn habe ihn auf die Idee gebracht, erzählt Marc Sarmiento: „Am ersten oder zweiten Weihnachtstag haben wir uns im Müllraum getroffen. Er hatte einen Haufen Verpackungskartons von den Geschenken für die Kinder und hat sich furchtbar über die übervolle rote Tonne geärgert. Weil er wusste, dass ich von der Post bin, hat er mich gefragt: ‚Warum muss die Post immer so viel Verpackungsmüll bringen? Mach da doch etwas, lös das Problem.‘ Da war ich erst einmal erstaunt, weil die Post ja Pakete und nicht Verpackungsmüll bringt – wir verschicken die Pakete, aber die Verpackung bestimmen die Händler.
Aber natürlich haben wir eine soziale Verantwortung, deshalb habe ich mir angesehen von wie vielen Verpackungen wir da eigentlich reden – in Österreich wurden im letzten Jahr circa 340 Millionen Pakete zugestellt. 184 Millionen davon durch die Post. Wenn wir da an irgendeiner Stelle ansetzen könnten und den Müll einfach nur reduzieren könnten, dann haben wir eigentlich schon gewonnen. 10 Prozent wären immerhin 18 Millionen weniger. So haben wir das Projekt gestartet.
BUSINESSART: Was war dabei die größte Herausforderung?
Marc Sarmiento: Unterschiedlichste Unternehmen haben unterschiedlichste Anforderungen – vor allem aufgrund der Produktvielfalt. Die größte Challenge bei Verpackungen ist, dass oft versucht wird, mit einer Verpackung alles zu lösen. One Size Fits All – sie soll für alle Produkte geeignet sein. Es gibt aber in Wirklichkeit unterschiedlichste Anforderungen. Man kann ein T-Shirt oder einen Pullover nicht mit einer Weinflasche, Spielzeug oder Büchern vergleichen. Das wichtigste ist, dass die Verpackung die Produkte schützt, so dass diese so bei den Konsument*innen ankommen, wie sie ankommen sollen. Da haben wir viel Gehirnschmalz hineingesteckt um passende Verpackungen für unterschiedliche Use-Cases zu finden und den größten gemeinsamen Nenner zu identifizieren, damit wir im ersten Schritt den größtmöglichen Hebel gemeinsam umlegen können.
Zuerst haben wir uns überlegt, was wir dabei optimieren sollen. Ob wir Verpackungen aus erneuerbaren Materialen wie Pilzmyzel oder Grasfaser nutzen, oder ob wir die Menge reduzieren wollen, indem wir die Verpackung maßgenau auf die Artikelgröße zuschneiden. Ein kleiner Artikel würde so nicht mehr in einer großen Schachtel verschickt, sondern in einer, die genau passt. Für andere Materialen können wir jedoch noch kein flächendeckendes Recycling für ganz Österreich anbieten und beim Zuschnitt auf Maß bleibt trotzdem ein Verschnitt übrig, der recycelt werden muss. So sind wir dann schlussendlich bei der wiederverwendbaren Verpackung gelandet. Wenn wir für eine Verpackung einen zweiten, dritten, zehnten Versandzyklus hinkriegen, haben wir sehr viel bewirkt. Auf diesen Fokus sind wir sehr stolz, weil wir mit ihm gemeinschaftlich gezeigt haben, dass wir auch einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten können.
Ihrkooperiert mit sehrunterschiedlichen Partnern.
Zu Beginn haben wir mit der FH Oberösterreich, die auch den ökologischen Effekt der Verpackungen im Projekt analysiert, eine Vorstudie gestartet. Alleine auf die Ankündigung dazu haben sich über 20 Unternehmen gemeldet, die Interesse an einer Zusammenarbeit hatten.
Wir wussten damals noch nicht genau, was wir testen wollen – nur, dass wir unbedingt etwas machen müssen – und haben deshalb einen gemeinsamen Nenner gesucht. Es gab auch interessierte Händler, die sehr heikle, hochpreisige oder zerbrechliche Ware verschicken. Das ist ein großes Risiko. Dafür haben wir jetzt auch schon eine Antwort, aber vor einem Jahr hatten wir diese noch nicht. Nach einigen Sondierungsgesprächen haben sich die Partner deshalb so herauskristallisiert.
Wo steht das Projekt derzeit? Wie geht es weiter?
Das Projekt wurde Ende September 2022 abgeschlossen, nun sind wir dabei, die Ergebnisse zu evaluieren. Das Projekt war definitiv keine Eintagsfliege, aber es gibt einige Verbesserungsvorschläge von Konsument*innen, die wir ernstnehmen müssen. Es muss bei einigen Punkten noch leichter und noch intuitiver sein. Das Ziel ist, nächstes Jahr eine Lösung anzubieten, die nicht mehr als Pilotprojekt läuft, sondern wirklich marktfähig ist und allen E-Commerce-Händlern angeboten werden kann.
Was hast du aus dem Projekt gelernt, was kannst du anderen Initiativen weitergeben?
Bei einem Test weiß ich am Anfang nicht, wie es ausgehen wird. Es kann gut ausgehen, es kann schief gehen – dieser Herausforderung müssen wir uns ganz offen stellen.
Das Zweite ist das “wisdom of the crowd“. Ich habe entlang dieser Reise sehr viel gelernt – auch in Punkto Nachhaltigkeit und dass es unterschiedlichste Perspektiven zu diesem Thema gibt. Viele sagen zum Beispiel, dass Plastikverpackungen schlecht sind, aber das ist nicht allgemein gültig. Je nach Vergleich kann sie auch mal besser und nachhaltiger sein. Deshalb ist die Frage, was man damit meint: Von wieviel Karton reden wir hier? Wie dick und schwer ist er? Wie dick und schwer ist die Plastikverpackung, besteht sie aus Recyclingplastik? Kommen die Kartons vielleicht aus Asien, mit sehr aufwändigen Prozessen in der Produktion und im Transport und die Plastikverpackung aus Europa, wo sie unter guten ökologischen Bedingungen hergestellt wurde? Wurde der Strom für die Produktion nachhaltig erzeugt? Da gibt es Szenarien, wo der Vergleich auch gegen den Karton ausfällt.
Oder wenn jemand sagt, er hat eine Lösung, bei der man eine Verpackung tausendmal verwenden kann, aber Gespräche zeigen, dass die Kund*innen die Verpackung aber gar nicht retournieren wollen. Unterhalte ich mich nur mit einem Gesprächspartner, habe ich nur eine Meinung, aber wenn ich unterschiedlichste Meinungen zusammenbringe, habe ich ein viel runderes Bild zu einem Thema. Das hat mir dieses Projekt ebenso gezeigt: Dass nicht alles nur mit einer Brille betrachtet werden kann.
Und das dritte ist unser Leitspruch bei der Post: „Zusammen bringen wir mehr zusammen“. Das hat sich bei diesem Projekt sehr schön gezeigt. Sehr oft werden wir nur mit den Ergebnissen konfrontiert: Da liegen fünf Paletten von fertig kommissionierten Paketen, die wir den Haushalten unter den Bedingungen zustellen, die wir vereinbart haben. Wir werden nicht in den Prozess involviert, wie wir die Pakete idealerweise transportieren, was in ihnen drinnen ist und ob wir mit unserer Transportexpertise unterstützen können. Bringen wir unsere Expertise und die Expertise der E-Commerce-Händler zusammen, liegt gemeinsam viel mehr Know-How auf dem Tisch. Und das hilft, das wir das auch im Sinne der Konsument*innen verbessern.
Was braucht es, damit Verpackungen zurückgegeben werden?
Es muss wirklich sehr einfach sein, sie zurückzugeben. Wenn du eine große Schachtel erhältst und deinen Artikel entnimmst, dann muss diese Schachtel danach sehr leicht und sehr klein faltbar sein. Dadurch kann sie beim nächsten Briefkasten oder bei der nächsten Postfiliale zurückgegeben werden – die Rückgabe muss in deiner Umgebung oder an Orten, wo du regelmäßig vorbeikommst, möglich sein. Wenn das nicht gelingt, dann gibt es ganz wenige, die mitmachen.
Deshalb macht es auch sehr viel Sinn, bestehende Infrastruktur zu nutzen. Wir haben ein flächendeckendes Netzwerk mit 1.750 Post-Geschäftsstellen in ganz Österreich und rund 14.500 Briefkästen, die sich meist nur in einem Umkreis von ein paar hundert Metern befinden. Es darf nicht immer ein Auto brauchen, um etwas abzugeben.
Welche Mengen an Müll können mit wiederverwendbaren Verpackungen eingespart werden?
Eine unserer wiederverwendbaren Verpackungen kann – je nach Material und Beschaffenheit – bis 10, 30 oder 100 Einwegverpackungen ersetzen. Bei 184 Millionen zugestellten Paketen ist das ein riesiges Potenzial!
Selbstverständlich haben wir den Carbon Footprint analysiert: Ich setze als E-Commerce-Händler eine gewisse Mehrwegverpackung ein, und ersetze damit einen bestimmten Typ an Einwegverpackung. Wir können zeigen, dass durch die Mehrwegverpackungen bis zu 70 Prozent CO2 eingespart werden können.
Wie hat sich der Online-Versand in den letzten fünf Jahren verändert?
Das Wachstum war, vor allem aufgrund von COVID-19, rasant. Teilweise ist der Versandhandel pro Jahr um 30 Prozent gestiegen. Auch wie Menschen konsumieren wollen, verändert sich: Alles muss instant da sein, egal was es ist. Firmen werben damit, dass, wenn du gerade kochst und dir Milch fehlt, diese in 15 Minuten geliefert wird. Neben dieser Schnelle geht es auch um Kleinteiligkeit. In diesem Moment braucht man einfach nur die Milch, da denkt man noch nicht an das Brot für morgen oder die Butter.
Ein anderer Trend zeigt aber auch, dass einige Kund*innen dazu bereit sind, nachhaltigere Optionen zu nutzen und langsamer zu treten - vielleicht muss es nicht unbedingt in 15 Minuten sein, es reicht in den nächsten 24 bis 48 Stunden. Es muss vielleicht nicht in einer wunderschönen Verpackung geliefert werden, sondern auch in einer, die offensichtlich schon zehn oder 20 Mal verwendet wurde. Das sind zwei Trends, die vielleicht zusammenpassen, sich vielleicht aber auch nicht ganz gemeinsam ausgehen.
Wo steht Versandhandel insgesamt im Bereich Nachhaltigkeit?
Früher war der Versand oft gratis, und wenn es gratis ist, dann ist es nichts wert. Und dann bestellst du drei T-Shirts: eines, das du möchtest, eines, von dem du hoffst, dass die Größe stimmt, und eines, bei dem du betest, dass es nicht das ist, das dir passt. Dann schickst du jedenfalls zwei zurück. Ich sehe mittlerweile bei vielen Händlern, dass sie von diesen Gratisversandmodellen absehen, oder zumindest für einen Expressversand oder die Rücksendung Geld verlangen. Das trägt dazu bei, dass du vielleicht nicht mehr drei T-Shirts bestellst, sondern nur mehr eines in der richtigen Größe. Da ändert sich gerade einiges, weil die Händler sehen, dass sie sich mit solchen Initiativen besser positionieren können, weil sie ein nachhaltigeres Image ausstrahlen.
Sie fragen Nachhaltigkeit mittlerweile auch bei Transportdienstleistern nach. Für viele Kund*innen zählt nicht nur mehr der Preis. Mittlerweile zählt die Qualität. Damit meine ich nicht nur, ob du pünktlich bist, beschädigungsfrei und korrekt auslieferst, sondern auch wie du zustellst. Ist deine Flotte grün, stellst du auch mit Lastenfahrrädern zu? Welche Alternativen bietest du an? Dafür müssen wir eine Antwort liefern. Wir selbst stellen den ganzen Fuhrpark um und kaufen seit dem Frühjahr keine Fossilverbrenner mehr für die Zustellung ein, sondern nur noch solche mit alternativen Antrieben wie Strom. Wir haben bereits die größte E-Fuhrparkflotte in ganz Österreich und Photovoltaik-Anlagen auf unseren Gebäuden, damit wir unabhängiger sind.
Als Gesellschaft müssen wir aber noch viel mehr tun – sonst schaffen wir die Wende nicht.
Wie lautet der Leitsatz deines Lebens?
Do what you love and you will always love what you do. Wenn du tust, was dir gefällt, wofür du brennst, und wo du eine Leidenschaft hast, dann wirst du niemals in deinem Leben einen einzigen Tag arbeiten.
Österreichische Post
Branche: Logistik und Transport
Anzahl der Mitarbeiter*innen: ca. 28.000