Sharing Economy: Wann funktioniert sie?
Experimente zeigen: Aufklärung und Vorbildwirkung sind zielführender als harte Regeln à la Bestrafung und Belohnung.
Teilen statt besitzen: Die Sharing Economy verspricht einen günstigen und ökologischen Zugang zu Wohnraum, Autos und anderen Produkten. Dabei muss man sich aber darauf verlassen können, dass sich ihre Teilnehmenden kooperativ verhalten. Eine Forschungsgruppe in Wien hat untersucht, welche Regulationen dazu am besten geeignet sind.
Die Vernetzungsmöglichkeiten der Digitalisierung haben der Sharing Economy einen beispiellosen Aufstieg beschert. Ein unter vielen Nutzer*innen aufgeteilter Gebrauch von Autos, Wohnungen, Gärten, Werkzeugen und zahlreichen anderen Gütern verspricht nicht nur wirtschaftliche Vorteile für die einzelnen Nutzenden, sondern auch ökologische Vorteile durch einen insgesamt geminderten Konsum. Immerhin steht etwa das teure Auto dann nicht mehr 90 Prozent der Zeit in einer Garage.
Die neue Sharing-Welt verlangt von den einzelnen Teilnehmenden aber auch, dass sie die Spielregeln des Teilens einhalten. Den Unternehmen, Plattformen und Gemeinschaften, die den Zugang zu den gemeinsam genutzten Produkten organisieren, stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, um das erforderliche kooperative Verhalten unter ihren Nutzer*innen zu fördern. Forschende der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien haben im vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt „Collaborative Consumption & Sharing Economy“ diesen Maßnahmen einen theoretischen Rahmen gegeben und sie mit verschiedenen Methoden auf ihre Wirksamkeit untersucht. Die zentrale Frage dabei: Welche Regeln und Kommunikationsstrategien sind der Kooperation beim gemeinsamen Gebrauch von Gütern besonders zuträglich?
Kooperation mit der Organisation und anderen Sharing-Teilnehmenden
„Unsere Forschungsarbeiten basieren auf einem Vorgängerprojekt, in dem ein Modell zu Vertrauen und Regulation im Verhältnis zwischen Steuerzahler*innen und Steuerbehörde entwickelt wurde. Dieses Modell haben wir auf die Bedingungen der Sharing Economy übertragen“, erklärt Projektleiterin Eva Hofmann, die mittlerweile von der WU Wien an die Universität Graz und die Donau-Universität Krems wechselte. „Steuerzahler*innen haben Verpflichtungen gegenüber der Steuerbehörde. Die Teilnehmenden an der Sharing Economy müssen sich aber nicht nur einem Unternehmen oder einer Institution gegenüber kooperativ verhalten, sondern auch den anderen Nutzer*innen gegenüber. Das macht die Sache sehr komplex.“ Noch dazu geben verschiedene Organisationsformen diesen Abhängigkeiten unterschiedliche Vorzeichen mit. Im Projekt wurden sowohl Unternehmen wie der Carsharing-Anbieter car2go als auch Plattformen à la Airbnb sowie Gemeinschaften, die allein von ihren Mitgliedern getragen werden, wie etwa Gemeinschaftsgärten, untersucht.
Hofmann unterscheidet zwei Arten von Regulationen, die Einfluss auf das kooperative Verhalten haben: Die harte Regulation nutzt Bestrafungen und Belohnungen, um das gewünschte Verhalten zu erreichen. „Ein Carsharing-Unternehmen kann beispielsweise Geldstrafen in Form von Zusatzkosten einheben, wenn das Auto mit leerem Tank oder ungeputzt zurückgegeben wird. Wenn immer alles in Ordnung ist, werden vielleicht Bonuspunkte gutgeschrieben, die sich in Vorteile ummünzen lassen.“ Im Kontrast dazu kann aber auch eine sanfte Regulation genutzt werden. Hofmann: „Sie bedient sich beispielsweise einer gezielten Weitergabe von Informationen oder drückt sich durch eine besondere Expertise oder eine Vorbildfunktion aus.“
Umfragen, Experimente und Feldforschung
Die Forschenden versuchten, den Wirkweisen dieser Regulationsarten durch mehrere methodische Ansätze näherzukommen. Dazu gehören Fokusgruppen, in denen Debatten zur Nutzung von Sharing-Angeboten angestoßen wurden, eine Reihe von Befragungen von relevanten Gruppen oder Laborexperimente, bei denen sich Proband*innen in Simulationen für ein Verhalten entscheiden. Zudem wurden Feldforschungen durchgeführt, wobei etwa eine Sharing-Gemeinschaft über einen begrenzten Zeitraum hinweg begleitet wurde.
Eine Untersuchung der Kommunikationsstrategien auf den Websites einschlägiger Sharing-Anbieter zeigte etwa, dass dort sehr stark mit harter Regulation gearbeitet wird, bei der Fehlverhalten sanktioniert wird. „Für uns war das überraschend. Wir hatten erwartet, dass im stärkeren Ausmaß eine sanfte Regulation kommuniziert wird, die auf Information und Vorbildwirkung setzt“, erklärt Hofmann. „Denn die Laborexperimente, bei denen Sharing-Situationen mit verschiedenen Kombinationen von Regulationen durchgespielt wurden, zeigten, dass sanfte Regulation bessere Ergebnisse bei der Förderung kooperativen Verhaltens bringt – und das unabhängig von der Organisationsform des Sharing-Angebots.“
Regelbasierte und gelebte Kooperation
Bei Experimenten mit Gemeinschaftsgärten, bei denen zwei Gärten unterschiedlich reguliert wurden, zeigte sich noch ein weiteres Phänomen: „Sowohl harte als auch sanfte Regulation verloren rasch an Relevanz. Dennoch zeigte sich ein Trend, wonach sich die Menschen durchaus klare Strukturen und Verantwortlichkeiten, etwa wie in einem Verein, wünschen“, schildert Hofmann. „Bei den Laborexperimenten hielten sich die Proband*innen sehr genau an die Regeln. In der Praxis ist aber auch wichtig, die Kooperation kommunikativ zu leben und sich laufend auszutauschen“, resümiert die Wirtschaftspsychologin.
Die Forschenden erhoben in ihren Umfragen übrigens auch, welche Motivationen die Menschen zu den Sharing-Angeboten führten. Ein Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass Beweggründe wie Umweltschutz oder verstärkter sozialer Austausch für die Teilnehmenden weniger Bedeutung haben als gedacht. „Diese Aspekte spielen durchaus eine Rolle – sie sind aber nicht der wichtigste Faktor“, resümiert Hofmann. „An erster Stelle kommt letztendlich immer das finanzielle Argument.“
Zur Person
Eva Hofmann studierte Psychologie in Wien. Bis 2021 war sie Postdoc am Kompetenzzentrum für empirische Forschungsmethoden und Assistenzprofessorin am Institut für Internationales Marketing Management der Wirtschaftsuniversität Wien. Heute ist sie am Institut für Psychologie der Universität Graz sowie an der Donau-Universität Krems tätig. Von 2017 bis 2021 leitete sie das Projekt „Collaborative Consumption & Sharing Economy“, das vom FWF mit rund 350.000 Euro gefördert wurde.
Publikationen
Hartl B. & Hofmann E.: The social dilemma of car sharing – The impact of power and the role of trust in community car sharing, in: International Journal of Sustainable Transportation 2021
Hofmann E., Hartl B., Nienaber A-M.: Editorial: Sharing Economy and the Issue of (Dis)trust, in: Frontiers in Psychology. 12, 1–2, 2021
Weitere Publikationen unter www.wu.ac.at/en/collaborative-consumption