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Stefan Theißbacher, Mathias Müller, Valentin Schmiedleitner, Andreas Förster, Gründer FragNebenan

Sie suchen einen guten Handwerker? Frag nebenan!

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Gründungsteam FragNebenan: Valentin Schmiedleitner, Mathias Müller, Stefan Theißbacher & Andreas Förster Gründungsteam FragNebenan: Valentin Schmiedleitner, Mathias Müller, Stefan Theißbacher & Andreas Förster

Eigentlich wollte Stefan Theißbacher Journalist werden. Bereits in der Gymnasialzeit in Kärnten berichtet er  in der Kleinen Zeitung über Gemeinderatssitzungen und Feuerwehrfeste, während des Publizistikstudiums schrieb er für Pressetest Austria. Das änderte seinen Blickwinkel auf den Beruf: „Nachrichten im Stundentakt – wenn das Journalismus ist, muss ich etwas anderes machen.“ Er wechselte zu Datum  entdeckte dort sein Interesse für den kaufmännischen Bereich und studierte internationale BWL.

Den erfolgreichen Abschluss beider Studien feierte er mit einer 1,5 monatigen Reise nach Tansania. Er musste einfach rauf auf den Berg, rauf auf den Kilimanscharo. „Die Natur dort ist das Schönste, was ich je gesehen habe“. Für die letzte Etappe auf den Gipfel, von 4.700 auf knapp 6.000 Meter startete die Gruppe um 23.00 Uhr in der Nacht. Nach sechs Stunden Aufstieg erreichte sie den Kraterrand – gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang, inmitten von Schnee und einem kleinen Gletscher.

Wieder zurück in Österreich wollte die Idee, sich für einen Job zu bewerben, nicht wirklich Gestalt annehmen. „Im Medienmanagement gibt es nicht so viel Angebot. Ich wollte meine Zukunft nicht davon abhängig machen, dass ein Job beim Standard, Falter oder ORF frei wird.“ Als Sohn eines Familienunternehmens hatte Theißbacher immer auch im Hinterkopf, etwas Eigenes zu machen.

Das Gespräch mit einem Freund über das Verleihen von Werkzeug, das nicht jeder besitzen muss, gab ihm den entscheidenden Impuls. „Im Freundeskreis weiß ich, wen ich fragen muss, da ist auch das Vertrauen da. Aber in der Nachbarschaft weiß ich es nicht. Da wohnen 25 Parteien im Haus, die wahrscheinlich 20 Bohrmaschinen besitzen“. Dazu kam die – als Gasthauskind besonders seltsam anmutende – Erfahrung, dass sich Nachbarn in Städten üblicherweise nicht kennen.

Was war der entscheidende Schritt zum Start?

Das Wichtigste war, mich selbst zu überzeugen, dass ich es probiere. Ich habe mich hingesetzt und einen ersten Entwurf des Konzepts gemacht.  Und mich immer wieder gefragt „traue ich mich da drüber?“ Ich habe jedem im Freundeskreis und in der Familie davon erzählt. Vor allem deshalb, damit ich es auch wirklich machen muss. Die Reaktionen der Eltern waren verhalten: Willst du das Risiko eingehen? Wäre es nicht einfacher, einen Job zu wählen. Die meisten zweifelten daran, ob man das wirklich braucht und haben sich um mich gesorgt, ob das funktionieren kann.

Der wichtigste nächste Schritt war, das erste Teammitglied zu finden. Erst dadurch sind wir im Konzept wirklich weitergekommen, wir haben viele Details geklärt, z.B was die Plattform können soll, wie sie aufgebaut werden soll. Dass ich im HUB gearbeitet habe hat sehr geholfen. Ich habe super Inputs bekommen, einen Zugang zu unterschiedlichsten Leuten, mit Knowhow im Bereich Design, Sozialarbeit, mit anderen Blickwinkeln auf die eigene Idee. Zudem bin ich ins Social Impact Start Programm aufgenommen worden und habe einen Mentor - Mario Kreiner - zur Seite gestellt bekommen. Begleitet wurden vier sehr unterschiedliche Projekte, die gleichzeitig gestartet sind – und die daher das gleiche zur gleichen Zeit durchmachen.

Wie hast du den Start finanziert?

Die Idee ist in der Bildungskarenz entstanden und ich bin dann bald ins Unternehmensgründungsprogramm des AMS gewechselt. Es war mir wichtig, dass alles offiziell und ich abgesichert war. Meine Mitgründer haben zunächst neben ihrem Job an FragNebenan gearbeitet. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass es sehr wichtig ist, dass zumindest einer zu Beginn Fulltime macht. Sonst wäre es schwer geworden. Dazu habe ich noch relativ günstig gelebt, weil ich noch keine Familie und auch keinen Kredit laufen hatte.

Wie hast du dein Team zusammengestellt?

Wir haben einander nicht gekannt. Die Kollegen sind aufgrund ihrer Interessen und ihres Knowhows zu uns gestoßen. Es hat zwei Monate gedauert, bis wir uns gefunden haben. Wir haben viel diskutiert: Welchen Blick hat jeder auf die Idee, wo will jeder hin? Der soziale Nutzen, Sinn zu stiften ist uns extrem wichtig, gleichzeitig wollten wir aber auch ein Unternehmen aufbauen und davon (gut) leben können. Wir wollten definitiv nicht von Förderungen und Spenden abhängig sein.

Wann seid ihr gestartet?

Ich habe im Sommer 2013 begonnen daran zu arbeiten, der erste Online Prototyp ist Frühjahr 2014 für den 7. Bezirk herausgekommen. Wir haben das Glück, dass gleich die ersten Medien über unser Projekt geschrieben haben. Das hat uns sehr geholfen – es haben sich gleich mal 200-300 Leute für den Newsletter registriert. Wir mussten erkennen, dass die Welt nicht auf uns gewartet hat. Sie haben uns nicht gleich die Tür eingerannt. Wir mussten also etwas ändern.

Zuerst hatten wir uns stärker auf das Haus konzentriert. Wir dachten, wenn wir eine Person aus dem Haus gewinnen wird sie die anderen einladen. Das funktionierte aber nicht. Wir erkannten, dass es zwar total Sinn macht, die Hausgemeinschaft zu vernetzen, dass es aber eher die Kür ist. Die Pflicht ist, genug Leute aus der Nachbarschaft zusammen zu bringen. Ob das zwei Häuser weiter ist, oder fünf, ist egal.

Durch Erstnutzer haben wir viel gelernt und verstanden. Das Hauptbedürfnis der Menschen ist Nachbarschaftshilfe zu organisieren und andere Leute kennenzulernen, an die Community Nachbarschaft anzudocken. Es haben sich schnell viele ältere Leute eingeklinkt, was uns sehr überrascht hat. Nach zwei Monaten haben wir die ersten NutzerInnen auf ein Bier eingeladen und damit unser erstes Nachbarschaftstreffen veranstaltet, damit sich die NutzerInnen auch persönlich kennenlernen.

Wofür wird das Netzwerk am häufigsten genutzt?

In erster Linie geht es darum, Nachbarschaftshilfe zu organisieren. Dann: Etwas gemeinsam zu unternehmen, zum Beispiel einen Laufpartner zu finden, gemeinsam ins Museum oder ins Theater zu gehen. Darüber hinaus werden Empfehlungen geteilt: wo ist der nächste Kindergarten, ein guter Arzt oder Handwerker. Leute, die gerade zugezogen sind, finden sich mit FragNebenan viel schneller zurecht. Im Schnitt gibt es drei Antworten auf eine Frage.

Gibt es Entwicklungen, die dich besonders berühren, die du spannend findest?

Bei einem Nachbarschaftstreffen hat eine ältere Dame mit multipler Sklerose erzählt, dass sie ihren Garten nicht mehr pflegen kann. Binnen kürzester Zeit hat sich eine junge Frau gefunden, die den Garten nun nutzt und pflegt, und die ältere Dame kann sich raussetzen kann und genießen.

Was mich besonders freut, dass die Menschen beginnen sich um die Gestaltung ihres Umfelds zu unterhalten, ob sie einen Radweg suchen, eine Fläche begrünen wollen oder ähnliches. Die Leute eignen sich ihre Stadt an. Sie begreifen sich als BürgerInnen und nicht als KonsumentInnen.

Wie ist Nachbarschaft definiert? Ist das ein Bezirk?

Nein, wir orientieren uns nicht an Grenzen, weil die im täglichen Leben nicht relevant sind. Das Zentrum ist immer das eigene Haus. Rundherum ziehen wir einen Kreis von 750 Metern. Das ist technisch sogar die einfachere Variante. Die Menschen registrieren sich mit ihrer Adresse – dann werden die Koordinaten abgefragt – und das Programm rechnet aus, wer im Umkreis lebt.

Das Besondere an FragNebenan ist, dass sich Menschen vernetzen, die sich vorher noch nicht gekannt haben. Durch die verpflichtende Verifizierung der Adresse gibt es eine Vertrauensbasis. Bei Facebook ist das zum Bespiel umgekehrt: da ist vorher der persönliche Kontakt und dann vernetzt man sich auch online.

Wie stellt ihr sicher, dass das Vertrauen nicht missbraucht wird?

Jeder Person, die FragNebenan nützen will, muss sich online anmelden. Wir überprüfen die Adresse und senden an die InteressentInnen postalisch einen Code. Erst mit diesem Code kann man in das Netzwerk tiefer einsteigen.

Was sind eure nächsten Schritte?

Wir sind damit beschäftigt, die Finanzierung für das nächste Jahr aufzustellen. Parallel akquirieren wir die ersten zahlenden Kunden. Zum Beispiel können Stadtverwaltungen FragNebenan nutzen um mit den BürgerInnen zu kommunizieren; lokale Unternehmen können ihre Angebote kommunizieren, aber auch ihre Events, wie zum Beispiel Straßenfeste. Sie passen sehr gut dazu, weil sie ja in der Nachbarschaft und von der Nachbarschaft leben. Wir überlegen auch, ob wir nicht helfen können, Bestellungen zu bündeln um Zustellungen effizienter zu machen. Das könnte Kosten sparen und die Umwelt schonen. In Österreich wollen wir damit 2017 in die schwarzen Zahlen kommen.

Parallel dazu wollen wir ins Ausland gehen, weil unser Konzept gut skalierbar ist.

Frag nebenan GmbH

Frag nebenan ist eine Online-Plattform mit der sich Nachbarn vernetzen können.
Sitz der Firma: Wien
Gegründet: 2015
Geschäftsfeld/Branche: Soziales Netzwerk
Anzahl der MitarbeiterInnen: 7 (3 Vollzeit und 4 Teilzeit)
NutzerInnen von Fragnebenan: derzeit 40.000
Wo gibt es FragNebenan: Wien, Graz, Klagenfurt, Linz, Innsbruck, Salzburg
 

Foto: Helena Wimmer