Wirtschaftswende
Wir stehen vor einer großen Transformation. Hans Holzinger zeigt, dass ein anderes Wirtschaften nötig und auch möglich ist.
Unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem sei höchst produktiv, was den Ausstoß an Waren anbelangt, und der materielle Wohlstand habe uns viele Annehmlichkeiten beschert. Doch gigantisch sei auch der Verbrauch an Ressourcen, so Holzinger. Das könne so nicht weitergehen - Transformationen stehen an.
Der Autor prüft die aktuell diskutierten makroökonomischen Konzepte von Green Growth über Degrowth bis hin zu postkapitalistischen Entwürfen, auf Plausibilität, Wünschbarkeit und Umsetzungschancen:
- Die Stärken eines „grünen Kapitalismus“ sieht Holzinger in den noch lange nicht ausgeschöpften technischen Potenzialen für die Energie- und Stoffwende und der Chance, Investitionen in nachhaltige Sektoren umzulenken. „Grünes Wachstum“ übersähe aber, dass technologische Wenden ebenfalls material- und energieintensiv sind.
- Postkapitalistische Ansätze würden zwar auf die Größe der notwendigen Transformationen verweisen und sie sehen die Wachstumsgetriebenheit des Kapitalismus. Holzinger hält diese aber für wenig plausibel, nicht umsetzbar und zu langsam umsetzbar.
- Realistisch sei ein geplanter Umbau der Wirtschaft und ihre Lösung von der Wachstumsabhängigkeit. Das erfordere neue Unternehmenskulturen ebenso wie wachstumsneutrale Wohlfahrtssysteme. Eine stärkere Heranziehung der Vermögenden zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben sei unerlässlich und Mehrheiten dafür werde es in Zukunft geben. Weder Überreichtum noch Überkonsum seien zukunftsverträglich. Denkbar sei auch, dass Lebensstile der freiwilligen Beschränkung an Attraktivität gewinnen, wie der Trend junger gutausgebildeter Menschen zum Weniger-Arbeiten zeigt.
Die Stärke offener Gesellschaften sei der offene Diskurs über plurale Zukunftsstrategien
Wenn sich die ökologischen Krisen verschärfen – und mit diesen auch die geopolitischen – sei es wichtig, neue Konzepte zu haben. Sogar Rationierungswirtschaften werden bereits diskutiert, sollten sich die Krisen verschärfen. Holzinger plädiert jedoch für eine schrittweise Transformation: „Umsteuerung passiert nicht auf Knopfdruck, angestoßen von einer Kommandozentrale, sondern braucht das Drehen an vielen Schrauben – größeren und kleineren.“ Umsteuerung brauche daher auch viele Menschen, die in vielen Bereichen Neues wagen, und Politik und Wirtschaft ermuntern, dies ebenfalls zu tun. Potenziale sieht der Autor daher insbesondere in den vielen Reformansätzen.
Viele würden bereits in Nischen erprobt wie regenerative Landwirtschaftsprojekte, Gemeinwohlunternehmen oder Energiegenossenschaften. Notwendig seien aber auch strukturelle Weichenstellungen. Einige davon würden mittlerweile von der Politik aufgegriffen, etwa strengere Lieferkettengesetze, umfassende Berichtspflichten für Unternehmen, globale Mindeststeuersätze oder Verpflichtungen für die Reparierbarkeit von Produkten. Andere seien noch auszubauen wie die Umstellung auf naturangepasste Landwirtschaft, die Stabilisierung der Finanzmärkte, die angemessene Bepreisung des Naturverbrauchs oder die Begrenzung des Überreichtums.
Am Ende plädiert Holzinger für eine moderne Bedarfsökonomie, die die Stärke freier Märkte nutzt, zugleich aber die Sicherung der Grundbedürfnisse unter Einhaltung der ökosystemischen Grenzen in den Mittelpunkt stellt. Sein Fazit: „Eine moderne Bedarfsökonomie, die (wieder) den Gebrauchswert der Güter in den Mittelpunkt stellt, würde uns nicht schlechter leben lassen, aber zukunftstauglich.“ Entscheidend wird in jedem Fall sein, die Wirtschaft sowie die öffentlichen Haushalte geplant und schrittweise aus der Wachstumsabhängigkeit zu führen, um Wirtschafts- und Lebensweisen innerhalb der planetaren Grenzen sicherzustellen. Nach dem Motto: „Degrowth by design, not by desaster“. Gelinge dies nicht, würden die ökologischen Folgekosten den Wohlstand auffressen – Arbeit gäbe es auch dann, aber eben jene, um nach den Klimaschäden wieder aufzuräumen.
Hans Holzinger: Wirtschaftswende. Transformationsansätze und neue ökonomische Konzepte im Vergleich. München: oekom 2024. ISBN: 978-3-98726-102-2
Softcover, 416 Seiten Euro 24,- [D], 24,70 [A].