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Dauerleistung auf Spitzenniveau: Haubenkoch Andreas Hettegger

„Ja, gerne! Kommen Sie! Wir werden schon ein Plätzchen für Sie finden! Eng ist es halt“ meinte Küchenchef Andreas Hettegger von der Gaststätte Figl in St. Pölten Ratzersdorf gut gelaunt am Telefon. Nein, es ging nicht um ein gepflegtes Abendessen, und auch nicht um eine Weinverkostung im Haubenlokal. Ich will den Chef in seiner Küche beobachten, mitten im Advent, wo eine Weihnachtsfeier die andere jagt. Roswitha M. Reisinger.

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Andreas Hettegger beim Anrichten. Foto: Figl Andreas Hettegger beim Anrichten. Foto: Figl

Spitzengastronomie ist bekanntlich eine der härtesten und stressigsten Branchen. Sprint auf Marathondistanz quasi. Andreas Hettegger soll das besonders gut hinkriegen – sein Geheimnis will ich am Freitag, den 11. Dezember ergründen. Als ich um 18:00 Uhr in der Küche eintrudle werde ich herzlich empfangen, am einzigen freien Quadratmeter in der Küche wird ein Sessel bereitgestellt, und viel Wasser. „Das brauchen Sie“ meinte Hettegger. „Sie sind die Hitze nicht gewöhnt. Trinken Sie viel, und gehen Sie einfach immer wieder mal raus, um abzukühlen.“ Tatsächlich bekomme ich in den nächsten dreieinhalb Stunden, neben vielen Eindrücken, eine 40 Grad Sauna dazu geschenkt.

Das Team von Hettegger hat bereits viele Stunden Vorbereitung in den Beinen: das Gulasch ist fertig, die Sauce einreduziert, die Hühnerschnitzel paniert und die Fritteuse heiß. Geplant ist eine Weihnachtsfeier für 80 Personen mit einem vorbestellten, „fliegenden“ Buffet. „Da kann man viel vorbereiten“ meint Hettegger. „Wenn das ganze Restaurant à la Carte bestellt, ist es natürlich stressiger.“

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Fischteller. Foto: Figl Fischteller. Foto: Figl

Während draußen die ersten Gäste eintreffen und einen Aperitif erhalten geht Hettegger mit seinem Team den Menüplan durch und bespricht den Ablauf des Abends: „Zuerst erhalten alle die Suppe. Danach gibt es eine Lesung und Ansprachen. Das heißt 45 Minuten Pause (das Wort Pause bezieht sich natürlich nur auf die Gäste, an die in dieser Zeit kein Essen rausgeht).“ Und zu Krisztian, dem zweiten Koch: „Um 20:15 Uhr müssen die Hauptspeisen raus.“

Zwischendurch kommt der Lagebericht vom Service: „Die Hälfte der Leute ist da“. Jetzt wird konzentriert gearbeitet. Anweisungen vom Chef „Gemüse von draußen für die Knödel holen“ wechseln sich ab mit den Rückmeldungen vom Service „Wir brauchen Wedges“. Erstaunlich ruhig ist es dabei. Der Ablauf ist eingespielt, Anweisungen werden einfach in den Raum gesprochen und jeder weiß, was er zu tun hat. Wie lange dauert es, bis ein Team so eingespielt arbeiten kann? Hettegger lacht. Die Mannschaft arbeitet noch nicht einmal ein Jahr zusammen. Er, Krisztian und Miro sind fürs Kochen zuständig, Miro heute zusätzlich fürs Anrichten und Lehrling Barbara für Mithilfe, wie Salat waschen, Teller anrichten oder Parmesan reiben. Mir fällt auf, dass letztlich jeder hilft, wo Not am Mann ist.

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Krisztian verfeinert das Risotte. Foto: Reisinger Krisztian verfeinert das Risotte. Foto: Reisinger

Da kommt eine à la Carte Bestellung rein. Hettegger nimmt sie entgegen und liest sie laut vor: einmal kleine Tortellini, einmal Blattsalat, Kürbissuppe mit Chiligarnele, gebratenes Saiblingfilet mit Champagner-Linsen und Grammeln, Nudeln mit Winterspinat und Lachsforellenfilet. Jetzt gilt es, die Bestellung, parallel zur Weihnachtsfeier, zu bearbeiten. Einzig einige Informationen und Kommandos sind im geschäftigen Tun zu hören: „Der Lachs ist in drei Minuten fertig“. „Schwimmen die Nudeln?“

Die Vorspeisen sind angerichtet. Da kommt vom Service die Rückmeldung, dass die Gäste gerade rauchen gegangen sind. Leichte Enttäuschung macht sich breit. Da ist alles auf den Punkt perfekt gegart und dann heißt es warten! Was soll‘s. Der Zeitraum will so gut wie nur möglich überbrückt werden. Bei einer Bestellung ist der Blattsalat untergegangen. „Jetzt Blattsalat bitte.“ Das klare Kommando spiegelt die Dringlichkeit wider. Binnen drei Minuten steht der fehlende Salat am Tisch. Das „bitte“ ist fast immer dabei. Auch hier gibt der Chef die (gute) Stimmung vor.

Jetzt geht’s mit dem ersten Teil der Weihnachtsfeier los. „Allez! Die Maroni (suppe) können wir anfangen, bitte. Und weiter mit der Gemüsesuppe.“ Akkordarbeit ist angesagt: die Suppenschalen werden befüllt und vom Service auf riesengroßen Tabletts rausgetragen. „Bitte schön, mon amour“. Freundlich ist die Kommunikation, oft witzig, und immer ist klar, um welches Ziel es geht: ein gutes Essen, frisch zubereitet, punktgenau und appetitlich angerichtet zum Gast zu bringen. „Alles im grünen Bereich“ oder „alles gut?“ Gefühlt alle fünf Minuten fragt Hettegger nach, sowohl im Service als auch im Team, ob alles passt, oder gibt Anordnungen wie „Salat vorbereiten“. Wichtig sind Hettegger frische Zutaten, viele erhält er aus der Region: den Fisch aus Pottenbrunn, das Fleisch vom Rinderbauern ums Eck, Nudeln und Tortellini werden selbstgemacht (30 Dotter auf ein Kilogramm Mehl). Das macht die Qualität aus, ist Hettegger überzeugt.

Zwischendurch kommt, vom Service übermittelt, ein Feedback der Gäste „besser geht’s nicht“. Da kommt Freude auf! „Gut gemacht“ lobt Hettegger sein Team.

Und weiter geht‘s. 80 Suppenschalen kommen zurück und werden sofort in den Geschirrspüler gesteckt. Auch vom Chef. Jetzt wird geputzt, weggeräumt, die nächsten Gänge vorbereitet, zum Beispiel 80 Salatteller. Und zwar leise, damit im Saal die Weihnachtsgesellschaft nicht gestört wird.

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Das Rindsfilet wird flambiert. Foto: Reisinger Das Rindsfilet wird flambiert. Foto: Reisinger

Jetzt nimmt sich Hettegger Zeit, mir ein bisschen über sich zu erzählen. Er stammt aus Loich, Pielachtal, NÖ. Mit 12 Jahren hat er begonnen zu kochen, unter der Obhut seiner Oma, und angespornt von seinen Geschwistern, die auch Köche und Wirte sind. Mit 22 erhielt er seine erste Haube, kochte im Fernsehen, machte Fotoshootings und war in ganz Europa unterwegs. „Da kann hinter dir die Bombe einschlagen – es zählt einzig und allein, dass der Teller perfekt rausgeht. Und: es muss immer mehr und immer besser werden“ beschreibt er die Logik der Branche. Für die Spitzengastronomie müsse man ein Jungspund sein. „Das war schon lässig. Aber irgendwann, nach dem 20. Shooting wird das anders.“ Heute genießt er es, zuhause zu schlafen, und dass der Figl am Sonntag und Montag geschlossen hat. „Am Sonntag gehe ich in der Früh die Zeitung holen. Da ist es still, und oft neblig, ich bin ganz allein auf der Straße. Dazu bin ich Lektor in der Kirche. Das brauche ich als Ausgleich.“ Auch im Schlaf könne er sich super regenerieren. Das hätten Messungen seiner Gehirnströme gezeigt. Deshalb könne er mit Stress gut umgehen.

Und was ist, wenn ein Fehler passiert? „Ich habe eine niedrige Fehlertoleranz. Aber wenn der Fisch verbrannt ist hat es keinen Sinn zu schreien und die Pfanne auf den Boden zu werfen. Der Fisch ist trotzdem verbrannt.“ Die Leute hätten dann eh schon Stress, schreien verstärke das nur. „Natürlich bin ich auch mal schlecht drauf. Dann geh ich eine Runde raus. Aber klar ist, dass der Chef Ruhe ausstrahlen muss. Sonst geht gar nichts“ meint er. Wichtig sei zudem Spaß und Humor, wenn man so intensiv zusammenarbeitet.

Heute mache es ihm Spaß, die jungen Leute zu fördern. Wichtig sei zum Bespiel, die Mitarbeiter kosten zu lassen, sie um ihre Meinung zu fragen. Stolz erzählt er, dass „es sich die Leute, die hier weggehen, verbessern. Sie werden Küchenchefs“. Der Figl sei ein Sprungbrett geworden. Natürlich sei ihm das alles nicht einfach zugeflogen. Es hätte schon einige Trainings gebraucht, um diese Kultur zu entwickeln.

Fünf Minuten bevor es mit dem fliegenden Buffet losgeht werden die gebackenen Hühnerschnitzel frittiert, das Risotto mit Schlagobers aufgekocht, der Fisch gebraten und das Rind flambiert. Vom Service kommt laufend Feedback, was noch gebraucht wird: „Noch fünf Portionen Risotto, zehn Mal Fisch.“ Jetzt geht’s richtig rund. Trotzdem kommt keine Hektik auf. Einzig konzentriertes Arbeiten und Nachfragen ist zu hören. Und zwar so leise, dass ich mir schwer tue, die Kommandos zwischen dem Brutzeln der Fritteuse und dem Flambieren des Rinds überhaupt zu verstehen.

Dreieinhalb Stunden habe ich mit den vier Küchenkünstlern verbracht. Allein das Beobachten war schon anstrengend – die vier haben ohne eine Minute Pause durchgearbeitet. Dabei haben sie schon viele Stunden Vorbereitung hinter, und jetzt das Dessert noch vor sich. Und zum Schluss wird es auch noch die Küchenparty geben, die der Chef höchstpersönlich schmeißt: Wer von den Gästen lange genug durchhält darf zu ihm in die Küche und kann alles, was an Resten noch übrig ist, verputzen. Mitternacht wird es für Hettegger heute mindestens werden. Tagwache ist morgen um 5:00 Uhr früh, denn um 6:00 Uhr wird frisch eingekauft. Der Advent ist halt eine intensive Zeit.

www.gaststaettefigl.at