Manuela Vollmann
Sie kennt die Anliegen von Frauen, und jene von Unternehmen, die gerne mehr Frauen beschäftigen würden.
Mit ABZ*Austria, die Non-Profit-Organisation, die sie 1992 gegründet hat, bietet unzählige Unterstützungs-Angebote für Frauen (z.B. Kompetenzcheck, Bildungs- und Einstiegsberatung) und Unternehmen (z.B. Diversity-Training, Karenz-Check). Zudem ist Vollmann auch höchst aktiv in Netzwerken, die Diversity und Gleichstellung vorantreiben.
Was war für dich der Auslöser, dich beruflich mit den Anliegen von Frauen so intensiv zu beschäftigen?
Ein großer Auslöser war der erste Tag an der Pädagogischen Akademie, als ein Professor am Anfang des Semesters die erste Stunde mit den Worten eröffnete: „Ich begrüße die zukünftigen Herren Direktoren und die zukünftigen Frauen Lehrerinnen.“
Da war ich einmal baff, denn das widersprach meinem Selbstverständnis, wie Frauen und Männer arbeiten und sozial verankert sind. Ich bin in einer Familie großgeworden, in der meine Mutter Geschäftsfrau und Unternehmerin war. Für mich war und ist es selbstverständlich, dass Frauen selbst in der Generation meiner Mutter Führungspositionen einnehmen.
Ein Antrieb für mein Engagement für die Gleichstellung kam deshalb sicher daher, dass ich diese Erfahrung – Frauen im Berufsleben und in Führungspositionen – auch anderen Frauen möglich machen wollte. In meiner Studienzeit, ab 1982, habe ich meine Position als Studierendenvertreterin genutzt, um autonomen Feminismus in die Wissenschaft zu bringen, und das sehr zum Missfallen, der damals ausschließlich männlichen Assistenten – selbstverständlich nicht ohne MitstreiterInnen wie Ursula Rosenbichler, Christa Hirt-Steiner, Marion Breiter und Kerstin Witt-Löw. Und man sieht, heute ist es ganz normal Gender Studies zu studieren.
Als wir dann das abz*meidling gegründet haben, ging es zuerst um Frauen, die in den Arbeitsmarkt wiedereinsteigen wollten. Aber wir, meine Wegbegleiterinnen und ich, haben schnell gemerkt, dass auch, wenn Frauen sich weiterbilden und qualifizieren, sie nicht wirklich nachhaltig integriert werden auf Grund der Grenzen in den Unternehmenskulturen, die nicht darauf ausgelegt waren, Frauen aufzunehmen. Daher haben wir angefangen, mit den Unternehmen an den Strukturen und Kulturen zu arbeiten.
Welches Ziel hattest du zu Beginn deiner Aktivitäten und wie hat es sich in der Zwischenzeit verändert?
Das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern in Wirtschaft, Bildung und Arbeitsmarkt ist aktueller denn je. Durch neue gesellschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen, haben wir auch mit immer neuen Zielgruppen gearbeitet bzw. unser Konzepte und die praktische Umsetzung ständig erweitert, ergänzt und auch viel Neues geschaffen. ABZ*AUSTRIA ist es ein Anliegen, nicht nur gesellschaftliche Veränderungen und Herausforderungen zu erkennen, sondern auf diese auch aktiv zu reagieren. Der demografische Wandel und damit einhergehend die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der Menschen, die Digitalisierung und Automatisierung (Arbeit 4.0) sowie das Aufkommen neuer Medien, die entsprechende Kompetenzen in der Bedienung und im Umgang verlangen, die Migrations- und Fluchtbewegungen der letzten Jahre und schließlich alle Fragen rund um die Themen Integration und Inklusion sind für uns Herausforderungen, auf die wir versuchen, mit unseren Projekten Antworten zu geben. Daraus entwickelten sich auch unsere sechs Kompetenzfelder, die wir formuliert haben:
- Gender Mainstreaming und Diversity Management
- Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben
- Arbeit. Jugend. Alter
- Lebensbegleitendes Lernen
- Arbeit. Migration. Integration
- Neues Arbeiten. Digitalisierung. Innovation
Gleichstellung, sowie die soziale und wirtschaftliche Existenzsicherung der Frauen sind unsere Leitlinien seit über 25 Jahren.
Was bedeutet Erfolg für dich?
Als Erfolg sehe ich, dass wir ABZ*AUSTRIA zu fünft gegründet und wir jetzt über 150 MitarbeiterInnen haben, und dass wir mit unserem Know-how und unserer Kompetenzen so breit aufgestellt sind, dass wir uns gut in die wirtschafts- und gleichstellungspolitischen Diskussion einbringen und mit unseren Projekten Veränderungen und Fortschritte für Frauen, Männer und Wirtschaft erzielen.
Dazu braucht es ein breites Netzwerk von klugen, und wichtigen Frauen und Männern, die nicht nur aus dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik kommen. ABZ*AUSTRIA verfügt über eine Vielzahl solcher Kontakte und. Ein persönlicher Erfolg ist für mich auch, dass ich von Anfang an Mitstreiterinnen gehabt habe und nie alles alleine durchdenken und umsetzen musste.
Unser Erfolg ist auch, dass wir unser Ziel der Gleichstellung bis heute nie aus den Augen verloren haben und in unserer Arbeit authentisch bleiben. Wir nehmen nur Aufträge und Projekte an, die mit unserer Vision vereinbar sind und unserem Ziel der Gleichstellung dienen.
Erfolg zeigt sich, wenn dank unserer Organisation rund 7000 Kundinnen im Jahr ihre berufliche Perspektive reflektieren und verbessern können. Jede Frau, die erfolgreich eine Arbeitsstelle findet, die eine Qualifizierung absolviert, ist für uns eine Erfolgsgeschichte.
Ich zähle es auch als Erfolg, wenn wir eine Ausschreibung gewinnen und das Projekt dann umgesetzt wird, gerade wenn die Anzahl der MitbewerberInnen sehr hoch war. Die Umsetzung bzw. den Auftrag dazu zu erhalten, bedeutet für uns, dass wir ein gutes Angebot formuliert haben und in weiterer Folge für unsere Kundinnen gute Qualität bieten können und auch gute Arbeitsbedingungen sowie eine gute Entlohnung für unsere MitarbeiterInnen.
Erfolg ist für mich, wenn man gerne bei uns arbeitet und gute Arbeitsbedingungen vorfindet, um qualitätsvoll zu arbeiten. Das heißt auch, das Unternehmen umsichtig und verantwortungsvoll zu führen. Daniela Schallert, meine Kollegin in der Geschäftsführung, und ich setzen im ABZ*AUSTRIA seit Jahren ein Top Sharing Model erfolgreich um. Wir sind zwei Geschäftsführerinnen, wodurch die Möglichkeit, die Verantwortung einer Führungsposition mit Familie und Privatleben zu vereinbaren, durch die gegenseitigen Vertretungsmöglichkeiten entsteht. Seit 18 Jahren wird das Modell erfolgreich gelebt, seit einigen Jahren auch auf Leitungsebene verankert. Besonderer Vorteil ist, dass auch komplexe Entscheidungen gemeinsam nachhaltiger getroffen werden können.
Privat bedeutet Erfolg für mich, wenn meine Kinder glücklich sind und sie reflektiert ihren Weg gehen.
Was waren die größten Hindernisse am Weg? Wie hast du sie bewältigt?
Unternehmen sind nicht immer begeistert, wenn wir mit ihnen zum Thema Gleichstellung arbeiten wollen. Für viele hat das Thema einen negativen Beigeschmack und der Mehrwert zeigt sich oft erst in der praktischen Arbeit mit uns.
Schwierige Zeiten gab es nach dem EQUAL-Programm des Europäischen Sozialfonds. EQUAL war eine Gemeinschaftsinitiative mit dem Ziel alle Arten von Diskriminierungen am Arbeitsmarkt abzubauen. Nach diesem innovativen und für uns auch mit großen Aufträgen verbundenen Programm gab es keine weiterführenden Aufträge in dieser Größenordnung. Dies bedeutete starke finanzielle Einschnitte, Mitarbeiterinnen mussten gekündigt werden.
Eine Kraft vom ABZ*AUSTRIA ist aber, dass wir uns noch immer rein über Projekte finanzieren und über keine Basisfinanzierung verfügen, wodurch wir auch unabhängig bleiben können. Natürlich ist es aber schwierig, in solchen Situationen aus eigener Kraft wieder Projekte zu akquirieren und zu wachsen und das über die Jahre durchzuhalten.
Durch die Umsetzung des neuen Bundesvergaberechts gab es dann auch im Jahr 2006 Einbrüche in der Projektvergabe. Damals hatten wir noch wenig Erfahrung mit Ausschreibungen. Vorher gab es durch die Direktvergabe und durch den intensiven Austausch mit AuftraggeberInnen auch die Möglichkeit, selbst Vorschläge für Projekte zur Förderung von Win-Win-Situationen von Frauen und Wirtschaft einzubringen und so aktiver mit den AuftraggeberInnen Projekte auszuverhandeln.
Durch die verpflichtende Ausschreibung wurden andere Firmen auf Projekte aufmerksam und unterboten uns teilweise um die Hälfte des Preises, auch bei Projekten, die wir entwickelt und seit Jahren sehr qualitätsvoll umgesetzt haben. Am Anfang der Ausschreibungen haben wir so sehr viele Projekte verloren.
So erging es nicht nur uns, sondern auch anderen österreichischen Organisationen in unserem Bereich. Sehr viele haben diese Anfangsphase der Ausschreibungspolitik nicht überlebt. Das führte zu einer Marktbereinigung, es sind wenige Anbieter übrig geblieben. Wir haben aber durchgehalten. Das liegt daran, dass wir in unseren Angeboten immer auf Qualität gesetzt haben: Auch bei Preisdruck war uns die Qualitätssicherung, die hochwertige Umsetzung unserer Ideen und die effektive Wirkung unserer Angebote für Frauen ein Anliegen. Wir wollen diese Qualität auch weiterhin halten für die Frauen und Unternehmen als unsere KundInnen, wir sind diesen verpflichtet. Wir sind eine Non-Profit-Organisation, das heißt, wir sind nicht auf Profitmaximierung ausgerichtet, sondern wollen „nur“ den Social Profit, die Gleichstellung am Arbeitsmarkt, erreichen. Die Nachhaltigkeit unserer Arbeit ist uns wichtig. Auch nach innen setzen wir daher auf eine qualitätsvolle Weiterentwicklung unseres Social-Profit-Unternehmens, denn die qualitätsvolle Umsetzung unserer Produkte braucht auch eine Organisation und Struktur, die das trägt. Wir hätten auch nicht so wachsen können, wenn wir nicht nach innen die Entwicklung mitgetragen hätten. So haben wir sehr früh ein Gleitzeitmodell mit Ampelsystem entwickelt: Unsere Angestellten können in einem Gleitzeitrahmen von 6 bis 22 Uhr ohne Kernzeit ihre Arbeitszeit selbst bestimmen und so an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Dafür führen unsere Mitarbeiterinnen Zeitlisten, in denen das Zeitguthaben oder -defizit mittels eines Ampelkontos verwaltet wird. Im grünen Bereich liegen unsere Mitarbeiterinnen, wenn der aufgebaute Zeitausgleich das Ausmaß der Wochenarbeitszeit nicht überschreitet. Erreicht der Saldo die doppelte Summe der Wochenarbeitszeit (gelber Bereich), ist die Arbeitszeit einvernehmlich mit der Vorgesetzten zu planen, um wieder in den grünen Bereich zu kommen. Für die innere Entwicklung holen wir auch gerne externe BeraterInnen ins Unternehmen.
Was war dein größter Misserfolg? Was hast du daraus gelernt?
Ich hatte sicher Misserfolge, kann mich aber an keinen mehr erinnern. Ich vergesse meine Rückschläge, nachdem ich sie gelöst habe, und blicke nach vorn.
Wie gelingt es dir immer wieder, wichtige EntscheidungsträgerInnen für deine Projekte zu gewinnen?
Wie vorher schon bei den Hindernissen erwähnt, müssen wir als ABZ*AUSTRIA viel Überzeugungsarbeit leisten, um EntscheidungsträgerInnen für unsere Ideen zu gewinnen. Dafür muss man hartnäckig und mit viel Durchhaltevermögen ausgestattet sein und beharrlich immer wieder den Kontakt suchen. Das verlangt eine starke Außenpräsenz und viel Vernetzungsarbeit, die ich sehr gerne mache. Das Netzwerk, das ich mit den Jahren aufgebaut habe, ist dabei ein wesentlicher Faktor. Als Geschäftsführerin eines politisch unabhängigen Social-Profit-Unternehmens habe ich auch einen guten Zugang zu den Schnittstellen in der öffentlichen Verwaltung und Politik sowie in Unternehmen.
Aber dass ich das so lange und so ausdauernd machen kann, liegt daran, dass ich von diesem Ziel, dieser Vision Gleichstellung zutiefst überzeugt und nach wie vor inspiriert bin. Ich sehe den Einsatz für Gleichstellung nicht nur als meinen Beruf, sondern eben als meine Berufung an. Für das Ziel der Gleichstellung arbeite ich mit Leidenschaft – und diese Leidenschaft schwächt sich nicht ab, sondern wächst! Je älter ich werde, desto mehr denke ich mir, es gibt keine gerechte Gesellschaft ohne Gleichstellung. Diese Überzeugung, diese Leidenschaft für das Thema Gleichstellung trägt mich und macht mich stark. Nichts wird mich von meinem Weg und von diesem Ziel der Gleichstellung der Geschlechter abbringen.
Diese Leidenschaft merken auch meine GesprächspartnerInnen: Ich verfolge diese Thema bereit seit mehr als 25 Jahren mit ABZ*AUSTRIA, in dieser Zeit haben wir ein breites und tiefes theoretisches und praktisches Know-how zum Thema Gleichstellung aufgebaut, und diese starke Kompetenz spüren auch die EntscheidungsträgerInnen. Was meine GesprächspartnerInnen sicher auch spüren, ist meine Gelassenheit. Ich kann die brennenden und sehr ernsten Probleme von Frauen ruhig und mit Leichtigkeit ansprechen, da mir eine angenehme Gesprächsatmosphäre wichtig ist und ich mit voller Leidenschaft über diese Themen reden kann. Ich bin auch sehr direkt und habe keine Hemmschwellen, Menschen, egal wo ich bin, anzusprechen. Gleichstellung ist für mich immer als Thema präsent.
Was sind deine nächsten Ziele?
Intern möchten wir uns mit den Themen Schnittstellen, Digitalisierung und Führung weiter auseinandersetzen.
Extern geht es darum, die wichtigen und großen Projekte halten zu können, um unsere MitarbeiterInnen weiterhin Arbeitsplätze bieten zu können und unsere Teilnehmerinnen unterstützen zu können. Hier würde ich gerne auch ein gutes Fundraising als Finanzierungsquelle für Projekte aufstellen. Ich möchte neue AuftraggeberInnen und Märkte erschließen, und unsere Dienstleistungen für Unternehmen breiter anbieten. Zum Beispiel schauen wir, dass wir unsere Roadmap Karenzmanagement auch außerhalb von Österreich vermarkten. Für unsere bestehenden Kooperationsbetriebe arbeiten wir daran, in der Unternehmensberatung das Thema Digitalisierung stärker zu verankern: Wir möchten die Betriebe dahingehend sensibilisieren, was Digitalisierung für ihren Betrieb und für die Gleichstellung bedeutet.
Mein persönliches Ziel ist, einfach gesund zu bleiben und lange arbeiten zu können.
Welche SDGs sind für deinen Bereich besonders wichtig? Wo tragt ihr ganz besonders bei?
Natürlich ist das Ziel 5 - das Erreichen der Geschlechtergleichstellung und die Befähigung aller Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung - ein sehr einschlägiges Ziel für uns.
Aber auch die Ziele 1 (Armut in allen ihren Formen und überall beenden), 4 (Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern) sowie 8 (Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern) und im weiteren Sinn 10 (Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern) umfassen Themen und Fragen, die wir auch mit und in unseren Projekten ansprechen, womit wir aktiv zur Verwirklichung dieser Ziele beitragen.
Wie wichtig sind die SDGs für die Gesellschaft?
Die SDGs als sozusagen Nachfolgeziele der Millenniumsentwicklungsziele sind sicher das ambitionierteste Programm, um Menschenrechte und eine menschenwürdige, nachhaltige Entwicklung auf der ganzen Welt umzusetzen.
Angesichts der weltweiten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen stellt sich jedoch die Frage, ob sie im gesamten Ausmaß tatsächlich so umgesetzt werden können bzw. ob sie wirklich realisierbar sind. Dazu muss man aber schon sagen, dass die Millenniumsentwicklungsziele im Jahr 2000 auch als Träumerei und unrealistisch gegolten haben, um dann trotzdem sehr erfolgreich umgesetzt zu werden. Ich denke, sie sind umsetzbar, wenn alle an einem Strang ziehen und für diese gemeinsamen Ziele der Welt arbeiten. Das gleiche gilt ja auch für die Gleichstellung der Geschlechter: Solange man sagt, „das wird nichts, das ist unrealistisch“ wird es unrealistisch bleiben. Wir müssen zusammen arbeiten, um große, sinnvolle und für unser Überleben wichtige Ziele umzusetzen.
Man sieht auch, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele einen weit größeren Schwerpunkt auf Klima- und Umweltschutz verfolgen als die damals verfassten Millenniumsentwicklungsziele. Das reflektiert stark, welche Bedrohungen für die Gesellschaften durch den Klimawandel entstehen bzw. gegeben sind.
Eckdaten:
Mag.a Manuela Vollmann
ABZ*AUSTRIA Gründerin, Geschäftsführerin, Vorstandsvorsitzende