Ökonomische Effekte von Asylberechtigten
Studie Joanneum Research im Auftrag von Caritas und Rotem Kreuz.
Seit dem Herbst 2015, als eine große Zahl von Asylwerbern nach Österreich kam, werden sowohl soziale als auch die finanziellen Aspekte der Zuwanderung diskutiert: In welchem Ausmaß belasten Asylwerber die öffentlichen Haushalte und welche Effekte ergeben sich daraus auf gesamtwirtschaftlicher Ebene und im Speziellen für den Arbeitsmarkt.
Im Auftrag des Österreichischen Roten Kreuzes und der Caritas hat die JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft die Auswirkungen beforscht. Eine Zahl in der Arbeitsmarktdatenbank hat dabei die Arbeit enorm erleichtert. Dr. Mag. Franz Prettenthaler, Direktor Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft, Joanneum Research: "Das Stellen eines Asylantrages wird mit einem speziellen Code in dieser Datenbank, die alle in Österreich lebenden Personen erfasst, gespeichert. Damit konnte erstmals eine Quasi-Vollerhebung der Arbeitsmarktbeteiligung von Asylberechtigten (und der subsidiär Schutzberechtigten) durchgeführt werden." Es konnten alle Erwerbskarrieren der rund 65.000 Asylberechtigten von 2000-2015 nachgezeichnet und einer ökonomischen Bewertung zugeführt werden; für 13.500 Personen konnte dies sogar für volle zehn Jahre durchgeführt werden.
Ökonomische Effekte von Asylberechtigten
Ergebnisse:
Die zusätzliche Bruttowertschöpfung für die Österreichische Volkswirtschaft summiert sich im Schnitt auf zumindest 7.350 Euro je asylberechtigter Person und Jahr. Durch die Nachfrageeffekte von 10 Asylberechtigten wurde in der Untersuchungsperiode jährlich zumindest ein Jahresvollzeitbeschäftigungsverhältnis ausgelastet.
Das indirekte und induzierte zusätzliche Steueraufkommen summierte sich auf zumindest 2.450 Euro pro Person und Jahr. Die Nettosteuer/Transferbilanz ist positiv und beläuft sich je Asylberechtigtem im Schnitt zumindest auf rund +3.050 Euro pro Person und Jahr.
Das heißt: Asylberechtigte zahlen derzeit mehr in öffentliche Töpfe ein als sie daraus bekommen.
Das ist zunächst eine positive Nachricht, es gibt aber auch eine Beobachtung, die Grund zur Sorge gibt und die auch dazu führen kann, dass diese Bilanz negativ wird (insbesondere wenn vermehrt Asylberechtigte ins Pensionsalter vorrücken):
- Frauen weisen eine deutlich geringere Erwerbsbeteiligung als Männer und die österreichische Durchschnittsbevölkerung auf. Diese steigt zwar sukzessive über den Betrachtungszeitraum, liegt aber 10 Jahre nach der Asylberechtigung mit rund 34 Prozent immer noch deutlich unter der Erwerbsbeteiligung von Frauen in Gesamtösterreich mit rund 44 Prozent. Überproportional hoch sind hingegen die Arbeitslosigkeit und Schulungsteilnahme ausgeprägt. Der Anteil an Versicherungstagen, über die keine Daten zur Verfügung stehen oder die Versicherungslücken darstellen, ist im Vergleich zu den Männern klar geringer.
- Die Erwerbsbeteiligung der Männer steigt bis zum siebten Jahr (t+6) nach Vorliegen der Asylberechtigung deutlich an und erreicht mit rund 50 Prozent ein Maximum, doch geht die Erwerbsbeteiligung in weiterer Folge wieder zurück. Zwar wird im siebten Jahr nahezu das Niveau der österreichischen Erwerbsbeteiligung von 52 Prozent erreicht, doch könnten die Asylberechtigten aufgrund einer günstigeren Alterszusammensetzung (weniger Junge und weniger Alte als innerhalb der gesamtösterreichischen Bevölkerung) klar über dem österreichischen Durchschnitt liegen.
- Insbesondere diese Deckelung der Erwerbsbeteiligung der Männer weist auf ein mögliches strukturelles Problem innerhalb der Personengruppe hin, wonach eine Subgruppe der Asylberechtigten dem Arbeitsmarkt aufgrund fehlender Qualifikation und anderer Barrieren faktisch nicht zur Verfügung steht.
- Dazu kommt, dass das Wirtschaftswachstum in den vergangenen fünf Jahren bescheiden ausgefallen ist. Der Gap zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage wird weiter größer. Der strukturelle Wandel auf dem Arbeitsmarkt beschleunigt sich, und die Arbeitskräftenachfrage verändert sich in Richtung Hoch- und Höchstqualifizierte. In jenen Wirtschaftsbereichen, in welchen Asylberechtigte potentiell arbeiten, werden zu wenige Arbeitsplätze geschaffen – und eine Entspannung ist nicht zu erwarten.
Wo soll konkret eingegriffen werden, um die Erwerbsbeteiligung von Asylberechtigten zu verbessern?
Univ. Prof. DDr. Gerald Schöpfer, Präsident Österreichisches Rotes Kreuz:
"Der Beitrag, den Asylberechtigte durch ihre Arbeit für die Wirtschaft leisten, ist zwar positiv. Damit das so bleibt ist es aber dringend nötig, mehr in Bildung zu investieren: In neue Kurse und Angebote für diese Menschen, die sich auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer tun – und zwar besonders für die Jungen und schlecht Qualifizierten. Asylberechtigte müssen früher in den Arbeitsmarkt integrieren.
Ein Hindernis dafür ist, dass die Daten, wie viele Menschen in Kursen sind oder wer genau welche Kompetenzen mitbringt, meist nur auf Länderebene vorleigen. Es bräuchte einen bundesweiten Überblick, damit alle klar sehen, wie die Lage wirklich ist.
Kurzfristig sind mehr gemeinnützige Arbeitsstellen für Asylwerber notwendig, damit sie besser Deutsch lernen. Sie sollen nach drei Monaten arbeiten dürfen – aber nicht nur als Saison- und Erntehelfer. Dazu sollte der richtige Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Lehrerausbildung verankert werden. In Österreich haben mehr als 20 Prozent der Schulkinder eine nichtdeutsche Muttersprache, in Wien sind es sogar fast 50 Prozent. Und 34 Prozent der Flüchtlinge, die seit Sommer 2015 nach Österreich kamen, sind noch im Schulalter.
Dazu hat ds Rote Kreuz zum Beispiel Lernhäuser gegründet, in denen Kinder gefördert werden, die sonst die Pflichtschule nicht schaffen würden – Kinder aus Österreich und Kinder mit Migrationshintergrund. Gemeinsam haben die Hilfsorganisationen das Projekt migrants care ins Leben gerufen, das Migranten auf eine Ausbildung zum Pfleger vorbereitet. Die Bilanz nach fünf Jahren ist positiv.
In Wien haben seit 2012 mehr als 200 Personen einen Kurs besucht, und mit Ende 2016 hatten 81 von ihnen bereits einen Arbeitsvertrag in der Tasche – das ist eine Erfolgsquote von 36 Prozent."
DDr. Michael Landau, Präsident Caritas Österreich
"Integration ist eine Zukunftsaufgabe, der wir uns gemeinsam und entschlossen widmen müssen. Vor allem aber: Wenn das auf kluge, nüchterne Weise geschieht, dann ist das nicht nur menschlich richtig, sondern auch wirtschaftlich klug. Die vorliegende Studie zeigt einmal mehr, dass Integration nicht früh genug beginnen kann.Wir sagen: Gelingende Integration beginnt am besten ab Tag 1 in Österreich.“
Wir brauchen möglichst frühe Kompetenzchecks, um zu erkennen, welche Qualifikationen ein Mensch mitbringt und welche noch ausgebaut werden müssen. In einem weiteren Schritte müssen vorhandene Qualifikationen, wie etwa Studienabschlüsse, möglichst rasch anerkannt werden. Dort, wo Lücken bestehen, brauchen wir sehr individuelle Qualifizierungsmaßnahmen.
Aktuell gibt es keinen effektiven Arbeitsmarktzugang während des Asylverfahrens. Dadurch werden Asylsuchende zu oft jahrelanger Untätigkeit gezwungen. Diese führt zu großen psychischen Belastungen und Dequalifizierung. Wertvolle Ressourcen bleiben ungenutzt oder gehen verloren. Das ist unmenschlich und ineffizient. Jugendliche Asylwerber sollten in möglichst allen Lehrberufen die Möglichkeit erhalten, eine Lehre zu absolvieren.
Ausbildung und Qualifizierung sind jetzt schon wichtig und werden auch in Zukunft immer wichtiger! Geflüchtete Menschen sollten also rasch Zugang zum Bildungssystem erhalten. Ganz praktisch heißt das u.a., dass Bildungsangebote für nicht mehr schulpflichtige Geflüchtete ausgebaut werden müssen. Und wir wünschen uns – wie auch die Studie empfiehlt – eine Erweiterung der Ausbildungspflicht bis 18 Jahre auch auf minderjährige Asylsuchende."
Zur Studie "Ökonomische Effekte von Asylberechtigten"