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Quo vadis Social Economy?

Gesellschaftliche Innovation und soziale Unternehmen stehen im Regierungsprogramm. Georg Schön, Co-Director Ashoka Austria, analysiert die Auswirkungen.

Das neue Regierungsprogramm fordert die „Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für gesellschaftliche Innovation“ und soziale Unternehmen. Das ist ein Meilenstein für die Politikentwicklung zu gesellschaftlicher Innovation in Österreich. Gesellschaftliche Innovation wird endlich als staatlicher Bereich anerkannt, der eine stärkere institutionelle Verankerung und einen umfassenderen politischen Rahmen benötigt.

Das eröffnet die Möglichkeit, gemeinsam mit relevanten öffentlichen Institutionen und zentralen Stakeholdern aus der Zivilgesellschaft eine gezielte Strategie zur Förderung gesellschaftlicher Innovationen zu erarbeiten und in die Umsetzung bringen.

Das ist mehr als notwendig. Denn: Österreich steht vor großen Herausforderungen. Wir müssen Gesundheit, Bildung, Inklusion und den Arbeitsmarkt verbessern, sowie Klimawandel, Biodiversitätssterben, Armut, den demographischen Wandel oder die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft bewältigen. Diese und weitere Themenfelder lassen sich nicht durch rein technologische Innovationen lösen. Dafür brauchen wir gesellschaftliche Innovationen, die den Staat, unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger, effektiver und wirkungsvoller machen und damit Folgekosten reduzieren und zur Systementlastung beitragen.

Entwicklung der Themen gesellschaftliche Innovation und soziale Unternehmen in den Regierungsprogrammen seit 2017:

In den letzten drei Regierungsprogramme waren die Themen gesellschaftliche Innovation und soziale Unternehmen enthalten, mit unterschiedlicher Akzentuierung:

  • Während im Regierungsprogramm 2017-2022 (ÖVP-FPÖ) gesellschaftliche Innovation vor allem im Bereich (Open) Innovation behandelt wurde,
  • fokussierte das Regierungsprogramm 2020–2024 (ÖVP-Grüne) das Thema auf soziale Unternehmen im Kontext der Start-Up und KMU-Förderung.
  • Im Regierungsprogramm 2025-2029 (aktuell, Dreierkoalition ÖVP-SPÖ-NEOS) wird gesellschaftliche Innovation als Teil einer allgemeinen Sozialpolitik, und Social Entrepreneurship als gesellschaftspolitisches Instrument dargestellt.

Wie wir im Fahrplan #mitSinn sehen, sind alle drei Perspektiven wichtig, und sollten ein integraler Teil der Rahmenbedingungen sein, die jetzt zusammen mit der neuen Regierung erarbeitet werden müssen.

Das Regierungsprogramm 2017-2022 (ÖVP-FPÖ)

Im Regierungsprogramm 2017-2022 (ÖVP-FPÖ) fanden die Begriffe erstmals Einzug in ein Regierungsprogramm, und zwar im Bereich Innovation und Digitalisierung. Prominent in der Österreichischen Open Innovation Strategie platziert, wird anerkannt, dass gesellschaftliche Innovation „für die Lösung der großen sozialen und ökologischen Herausforderungen wie Integration, Ressourcenverbrauch, Arbeitslosigkeit oder Klimaschutz eine immer größere Bedeutung“ bekommt.   Damals nahm sich die Regierung bereits vor, eine „Plattform für gesellschaftliche Innovation“ zu schaffen, und „Nichttechnologische, gesellschaftliche Innovation und Social Entrepreneurship stärker in Förderprogramme miteinzubeziehen.“

Der Fokus, der im Regierungsprogramm ÖVP-FPÖ gesetzt wurde, ist ein wichtiger Impuls für die Zukunft. Gesellschaftliche Innovation sollte Teil der österreichischen Innovationsstrategie sein. Das verankert die "Verbreiterung" und Erneuerung des Innovationsbegriffs, und eröffnet neue Handlungsperspektiven. Vorschläge dazu sind im Fahrplan #mitSinn dargestellt:

Es braucht dringend eine Integration von gesellschaftlicher Innovation in die Strategie der Bundesregierung für Forschung, Technologie und Innovation (FTI), die den Wert eines nicht-technologiebasierten Verständnisses von Innovation für die österreichische Standortpolitik anerkennt. Gesellschaftliche Innovation soll daher Teil des Arbeitsprogramms für den Rat für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung; Teil des Förderprogramms der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung; Teil des österreichischen FTI-Monitors; und Teil der Wissens- und Technologietransferprogramme werden. Ebenso für die Technologietransferzentren oder dem aws AplusB Inkubatorenprogramm mit Fokus auf Universitäten und Fachhochschulen. Die FFG soll quer über ihre Programme die Forschung über gesellschaftliche Innovationen aktiv aufnehmen. Länder wie Deutschland, Schweden oder England zeigen, wie es gehen kann.

Was stand damals nicht im Regierungsprogramm: Gesellschaftliche Innovation wird noch nicht als eigenständiges Handlungsfeld betrachtet, es gibt keine gezielte Strategie oder Fördermaßnahmen für gesellschaftliche Innovationen noch spezifischen Maßnahmen zur Förderung von Social Entrepreneurship. Die Zivilgesellschaft wird primär als gesellschaftlicher Unterstützungsfaktor betrachtet, aber nicht als zentraler Akteur in der Innovationspolitik.

Regierungsprogramm 2020–2024 (ÖVP-Grüne)

Das letzte Regierungsprogramm hat das Thema stärker in der Start-up-Förderung angesiedelt und mit der Wirtschaftsagenda verknüpft. Social Entrepreneurship wird hier als Treiber für wirtschaftliche Innovation und gesellschaftliche Transformation gesehen. Es wird als ein wirtschaftliches Modell betrachtet, das durch Innovation soziale Probleme löst. Soziale Unternehmen sind demnach Akteure, die soziale Probleme unternehmerisch, mit innovativen Geschäftsmodellen, lösen können. Damit wird die Zivilgesellschaft als wichtiger Innovationspartner anerkannt. Social Entrepreneurship wird mehrfach direkt adressiert, insbesondere im Kontext von Finanzierungsinstrumenten, Risikokapital und steuerlichen Begünstigungen für gemeinnützige Unternehmen. Im Teil zu KMUs und Ein-Personen-Unternehmen (EPUs), erhält Social Entrepreneurship einen eigene Sektion. Die geplante Fördermaßnahmen umfassen die „Zielgruppenspezifische öffentliche Finanzierungsinstrumente für Social Entrepreneurs bzw. Ausweitung und Öffnung bestehender Finanzierungsprogramme für Social Entrepreneurs“. Zudem sollen steuerliche Begünstigungen für gemeinnützige Unternehmen und soziale Innovation sowie die Ausweitung der Gemeinnützigkeitsbestimmung auf Social Entrepreneurs vorangebracht werden.

Einiges davon ist in den letzten Jahren umgesetzt worden. Durch das Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 kam es zu einer Ausweitung der spendenbegünstigten Zwecke, wovon auch viele soziale Unternehmen profitieren. 2023 erfolgte auch die Einführung des Verified-Social-Enterprise-Labels, das vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft verliehen wird und zu einer gelungenen Identifikation von Social Enterprises beiträgt, aber ohne jegliche steuerliche oder sonstige Begünstigungen. In der KMU-Förderlandschaft hat sich soziales Unternehmertum als Nische etabliert, bleibt aber hinter ihrem Potenzial zurück.

Es gibt weiterhin viel zu tun, um Social Entrepreneurship aus der Nische in den Mainstream zu bringen. Im #mitSinn Fahrplan gibt es viele zentrale Vorschläge, die jetzt aufgegriffen werden können. Es braucht zuallererst den gleichberechtigten Zugangs für sozialunternehmerische und gemeinnützige Organisationen zu Start-up-, Innovations- und Digitalisierungsförderungen. Die Entwicklung adäquater steuerlicher Maßnahmen und Anreize für gesellschaftliche Innovation und soziale Unternehmen sowie ihre Finanzierung bleibt ein zentrales Anliegen. Der Rechtsstatus für soziale Unternehmen soll über das bestehende Verified-Social-Enterprise-Label gestärkt werden. Neue wirkungsorientierte Finanzierungsinstrumenten müssen erst noch entstehen, die privates Kapital für gesellschaftliche Innovationen mobilisieren. Ideen und Internationale Best Practices dazu gibt es viele, zum Beispiel die Etablierung eines sozialen Risikofonds für Start-ups, der gesellschaftliche Innovationen und soziale Wirkung zum Ziel hat, und privates Kapital von Impact Investor:innen hebelt, analog zum aws-Gründerfonds. 

Und was stand damals eigentlich nicht in Regierungsprogramm? 
Soziale bzw. gesellschaftliche Innovation wurde kaum adressiert. Eine breitere Perspektive auf ermöglichende Rahmenbedingungen für gesellschaftliche Innovation und soziale Unternehmen fehlt. Das wird nun im neuen Regierungsprogramm aufgegriffen.

Illustrierte menschen tragen gelbe und orange Bälle
Grafik: Wirkt

Regierungsprogramm 2025-2029 (aktuell, Dreierkoalition ÖVP-SPÖ-NEOS)

Im neuen Regierungsprogramm wird die „Weiterentwicklung der bestehenden Rahmenbedingungen für soziale und gesellschaftliche Innovationen“ verankert. Damit gibt es erstmals eine gezielte Strategie zur Förderung gesellschaftlicher Innovationen, zu deren stärkerer institutionellen Verankerung, und zur Schaffung eines umfassenderen politischen Rahmens. Soziale Innovation wird damit zu einem staatlich anerkannten Bereich.

Das Thema schlägt diesmal im Teil zu Gesundheit, Pflege, Soziales & Arbeit auf, was bedeutet, dass es von dieser Regierung stärker als gesellschaftspolitisches Konzept gefasst wird. Die institutionelle Absicherung tritt stärker in den Vordergrund, während konkrete Start-up- und Wachstumsförderung weniger prominent sind. Während Social Entrepreneurship im vorherigen Regierungsprogramm als Treiber wirtschaftlicher Innovation gesehen wurde, wird es jetzt mehr als Teil einer allgemeinen Sozial- und Förderpolitik dargestellt.

Die Weiterentwicklung des „Verified Social Enterprise“-Label (VSE) wird explizit hervorgehoben, um soziale Unternehmen sichtbar zu machen und ihnen Zugang zu spezifischen Begünstigungen zu erleichtern. Das gibt sozialen Unternehmen eine langfristige Perspektive: Durch das VSE-Label und eine institutionelle Förderung erhalten Social Entrepreneurs erstmals eine klar definierte Rolle im Wirtschaftssystem.

Die „Etablierung neuer Förderstrukturen nach Public-Private Partnership-Modellen“ soll geprüft werden. Sozialwirtschaftliche Organisationen würden damit als Umsetzungspartner und zentraler Akteur in der Politikgestaltung zu gesellschaftlicher Innovation sowie in der Weiterentwicklung öffentlicher Dienstleistungen anerkannt werden. Als Beispiel für Förderstrukturen werden ein Nationaler Fonds für gesellschaftliche Innovationen, der aus nachrichtenlosen Vermögenswerten gespeist sein kann (wie in anderen OECD-Ländern) oder Social Impact Bonds erwähnt. Basierend auf Österreichs Erfahrung (das Sozialministerium hat bereits zwei Social Impact Bonds umgesetzt) können Social Impact Bonds als soziales Finanzierungsinstrument breit etabliert werden.

#mitSinn hat mit zentralen Stakeholdern Vorschläge entwickelt, wie die Rahmenbedingungen für gesellschaftliche Innovation vorangebracht werden können. Die gilt es jetzt aufzugreifen und in die Umsetzung zu bringen. Ein nationaler Gipfel für gesellschaftliche Innovation, um alle relevanten Stakeholder zusammenzubringen, und einen Aktionsplan als Public-Private Partnership aufzugleisen, wäre ein wichtiger erster Schritt, der Momentum schafft. Dazu braucht es eine nationalen Plattform für gesellschaftliche Innovation, die als zentrale Anlaufstelle für alle relevanten Akteur:innen arbeitet, um Informations-, Unterstützungs- und Vernetzungsangebote zu setzen und die Entwicklung der gesellschaftlichen Innovationsagenda in Österreich steuert. Der Nationale Fonds für gesellschaftliche Innovationen sollte aus nachrichtenlosen Vermögenswerten gespeist sein. Das bringt frisches Geld, das genau in diesen Zeiten der Sparprogramme gesellschaftlicher Innovation in Österreich zum Durchbruch verhelfen wird. Analog zum Klima- und Energiefonds Österreichs, kann er zentrale Finanzierungsprogramme für soziale Innovation in Österreich ermöglichen, die im #mitSinn Fahrplan erarbeitet wurden, wie

  • die Bereitstellung von wirkungsorientierten Förderungen für den kooperativen Transfer und die Modellierung von erprobten gesellschaftlichen Innovationen mit dem Ziel der Skalierung und Systemintegration. Damit können bewährte innovative Lösungen gemeinsam von und mit verschiedenen Akteur:innen übernommen, angepasst und in größerem Maßstab verbreitet werden.
  • die Schaffung und Stärkung von lokalen Räumen für Information, Vernetzung und Partizipation zu gesellschaftlicher Innovation, sowohl innerhalb als auch zwischen Gemeinden, Regionen und Städten, inklusive der Entwicklung von lokalen Aktionsplänen zur Umsetzung akteur:innenübergreifenden Kooperationen.

Jetzt schlägt die Zeit für gesellschaftliche Innovation in Österreich!

Siehe Fahrplan #mitSinn hier

Siehe Open Innovation Strategie für Österreich (2016) hier

Siehe mehr zu BMBF und gesellschaftlichen Innovationen hier

Siehe mehr zur Schwedischen Innovationsagentur Vinnova hier

Siehe mehr zur UK Innovationsagentur NESTA hier