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Perspektiven für eine grüne Zukunft

Die Klimaexpert*innen - Katharina Rogenhofer, Marcus Wadsak und Gernot Wagner - zeigten heute beim CSR-Circle Wege und Perspektiven für eine grüne Zukunft.

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Marcus Wadsak, Katharina Rogenhofer und Gernot Wagner

CSR-Circle: Ein Buch zu schreiben ist ein großer Aufwand. Lohnt er sich? Erfüllt sich, was Sie mit Ihren Büchern bewegen wollen?

Gernot Wagner: Der Aufwand lohnt sich definitiv. Wobei das Faszinierende für mich das Buchschreiben an sich ist, der Prozess. Natürlich fragt man sich, wie viel es dann gelesen wird. Auf alle Fälle ergeben sich daraus viele Diskussionen, Gespräch und Dialoge. Und genau darum geht es. Es geht darum, das Thema ins Gespräch zu bringen.

Katharina Rogenhofer: Ich habe eigentlich nicht gedacht, dass ich ein Buch schreiben werde. Wegen des Aktivismus hatte ich keine Zeit dafür. Dann kam Corona und hat auf einmal meinen Terminkalender freigeräumt.

Rückblickend gesehen war es für mich persönlich wichtig, das Buch zu schreiben. Ich habe zum ersten Mal auf die Klimabewegung zurückgeschaut und erstmals konnte ich unsere Erfolge niederschreiben und damit auch  feiern. Und das Buch hat auch Impact, wenn auch einen anderen als der Aktivismus. Viele Journalist*innen haben mir gesagt, dass sie mein Buch gelesen haben – ein toller Multiplikatoreffekt. Mit den zusätzlichen Interviews können wir das Thema am Köcheln halten; Gemeinden laden zu Lesungen ein mit dem Ergebnis, dass viele Leute einen Abend mit dem Thema verbracht haben.

Ich wollte mit dem Buch auch mit Vorurteilen gegen die Klimabewegung aufräumen, nämlich, dass wir lieber etwas lernen sollten, statt zu demonstrieren. Ich habe wirklich noch nie so kluge, engagierte Menschen kennengelernt, die für jede Rede und jeden Vortrag mit den besten Wissenschaftler*innen reden, um nichts falsches zu sagen. Ich wollte mit dem Buch auch mein Wissen kondensieren und den Menschen in die Hand geben.

Marcus Wadsak: Ich schreibe wahnsinnig ungern. Vor acht Jahren habe ich ein Buch über Wetterphänomene herausgebracht und mit geschworen: Nie mehr wieder!

Dann habe ich 2006 meinen ersten Klima-Vortrag gehalten, später einmal pro Monat in Schulen, in Firmen, dann wurde es immer mehr. 2018 musste ich das erste Mal einer Klasse absagen. Das hat mir sehr weh getan. Schließlich brennt der Hut, wir  haben es eilig. In einer privaten Runde hat dann einer gemeint: dann schreib doch ein Buch über die Basics, das sehr griffig und kompakt erklärt.

CSR-Circle: Der CSR-Circle ist  eine Plattform für Unternehmen, die sich engagieren, die in Nachhaltigkeit investieren. Aber sie sehen sich einer Wirtschaftslobby gegenüber, die an einer fossilen Energie festhält. Wie können sie trotzdem vorankommen?

Rogenhofer: Auf der einen Seite sehe ich ganz viele engagierte Unternehmen. Auf der anderen gibt es viele, die noch nicht so weit sind. Aber auch dort sitzen engagierte Menschen, die etwas ändern wollen und sich zu Wort melden sollten. Wir alle können uns einsetzen und in den Unternehmen, in denen wir arbeite, etwas beitragen. Unternehmen müssen berechnen, wie sie bis 2040 klimaneutral sein können und dementsprechende Maßnahmen setzen. Wenn das nicht alleine möglich ist, dann müssen sie sagen, welche Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen es braucht. Aber das wichtigste Werkzeug ist, sich jetzt zusammenzufinden und etwas tun.

Wagner: Talk is cheap. Reden ist wichtig und richtig. Aber es geht vor allem darum, die richtigen Aktionen zu setzen, und zwar auf jeder Ebene: Global, auf städtischer Ebene, und genauso auf Unternehmensebene.

Es gibt drei Möglichkeiten die Ziele zu erreichen:

1. CO2 reduzieren: das ist teils noch teuer, erfordert konkrete Investitionen,

2. Assets mit großen Emissionen abstoßen und

3. Offsets: ich mache so weiter wie bisher und pflanze Bäume, um zu kompensieren.

Es passiert viel in den beiden letzteren Kategorien, obwohl alle wissen, dass wir mit der ersten beginnen müssen. Das ist oft frustrierend. Aber es gibt viele Möglichkeiten in die richtige Richtung, und es tut sich ja auch viel, auf jeder Ebene. Hier in New York etwa hat der neue Bürgermeister versprochen 25 % aller Straßen für Personen und Radfahrer zu öffnen. Da ist alles richtig, sogar das Wording („öffnen“ und nicht „schließen für Autos“). Das alleine wird das Weltklima nicht retten, aber es ist ein richtiger Schritt.

Wadsak: Das letzte Jahr hat schon viel Überraschendes zutage gebracht: ich durfte auf internationalen Manager-Konferenzen sprechen. Das wäre vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen. Und das ist wichtig, denn meist gibt es engagierte Mitarbeiter*innen, aber der Topmanager ist noch nicht überzeugt. Wenn ein Autokonzern, der mit Betrug seine Abgaswerte reduzieren wollte, und jetzt der Regierung 10 Punkte gibt, wenn sie strengere Regelungen erlässt, dann hat sich etwas getan. Ich würde mir so wünschen, dass Wien innerhalb des Rings autofrei würde. Jedenfalls: Es kommt tatschächlich mehr Bewegung rein, und das ist wirklich notwendig.

CSR-Circle: Das Wachstumsthema ist ein sehr kritisches Thema, denn weniger CO2 heißt weniger Wachstum und das bedeutet weniger Wohlstand. Wie entkommen wir diesem Dilemma?

Wagner: Die degrowth-Debatte vereint sehr vieles. Alles, was mit gutem Leben zu tun hat, wird oft in diesem Rahmen zusammengefasst. Klar ist: ein unendliches Ressourcenwachstum ist nicht möglich. Aber Wachstum im Sinne von persönlicher Erfüllung, technologisches Wachstum? Natürlich. Es geht um eine Entkopplung. Wenn wir über den Green New Deal sprechen: es geht um enorme Investitionen in die richtige Richtung – die damit selbst zum Wirtschaftswachstum beitragen. Der Umbau mag  teuer sein – darum machen wir es ja jetzt nicht. Es ist billiger auf der grünen Wiese neu zu bauen als die Fabrik aufzustocken.

Es richtig zu tun kostet mehr. Und das bedeutet Wirtschaftswachstum. Ressourcenwachstum alleine ist schlecht. Aber auch dort muss man differenzieren: Jede Windturbine braucht mittlerweile über 200 Tonnen Stahl – der sollte natürlich CO2-neutral produziert werden. Da geht es dann in Richtung Kreislaufwirtschaft.

Rogenhofer: Wenn wir uns nur das BIP als Wirtschaftswachstum anschauen – dann hängt das sehr stark mit dem Ressourcenverbrauch zusammen. Es gibt derweil kein Anzeichen, dass sich diese beiden Größen entkoppeln lassen. Weder relativ, und schon gar nicht absolut. Deshalb ist meine Frage: warum fokussieren wir uns so stark auf das BIP? Geht es nicht im Grunde um ganz andere Kennzahlen: wollen wir nicht ein gutes Leben befördern: Gesundheit, Bildung, persönliches Wachstum, Gleichberechtigung und dabei innerhalb der planetaren Grenzen bleibt – also eine intakte Umwelt als Lebensgrundlage fördert? Das kann man auch auf Unternehmen umlegen: Sie können Emissionen reduzieren, ihren Ressourcenverbrauch reduzieren und alle Materialien im Kreislauf führen, darauf achten, dass es Mitarbeiter*innen gut geht.

CSR-Circle: Dazu arbeitet ja auch der neu geschaffene Klimarat.

Rogenhofer: das ist wirklich ein großer Schritt. Man sieht in vielen anderen Ländern, dass sie gut funktionieren. Zufällig ausgewählte Menschen, repräsentativ für die Bevölkerung zusammengesetzt, erarbeiten Vorschläge. Die Wirtschaft wie auch die Politik sind nur am Rande, über einen Stakeholder-Beirat eingebunden.

Frage aus dem Publikum: Wir könnten neue KPIs definieren. Welche würden Sie sich wünschen?

Wagner: Indikatoren gibt’s einige. Etwa:

  1. CO2-Emissionen pro Euro-Output, vor allem dann verglichen mit ähnlichen Firmen in ähnlichen Kategorien
  2. CO2 absolut.
  3. Dann aber auch das BIP selbst, in eine richtige Nettozahl umgewandelt. Also die Kosten des Ressourcenverbrauchs wegzählen anstatt zu addieren.

CSR-Circle: Was leistet der ORF?

Wadsak: Es ist eine Kernaufgabe des ORF über den Klimawandel zu berichten. Aber es geht auch darum, die Emissionen des Unternehmens, seiner Veranstaltungen und Produktionen zu reduzieren. Das machen wir viel. Und werden den neuen Generaldirektor ganz sicher mit neuen Vorschlägen nerven.

CSR-Circle: Welche Rolle spielen Technologien?

Wadsak: ich bin grundsätzlich ein Warner bei großen Technologien. Es gibt Projekte, die CO2 aus der Luft holen. Aber wir emittieren so viel mehr. Die technischen Lösungen gibt es jetzt noch nicht, und auch in fünf Jahren noch nicht. Wir werden sie brauchen um die letzten Meter zu schaffen.

Wagner:Ich stimme zu 100 % mit Marcus Wadsak überein. Die größte Gefahr, die von diesen Technologien ausgehen ist der „moral hazard“ – das Gefühl, dass wir nichts machen brauchen, dass wir einfach 20 Jahre warten können und es sich dann schon ausgeht. Das würde ich sagen ist das wirkliche Problem vieler dieser Technologien, ob Geoengineering oder Atomkraft. Dabei gibt’s auch eine wichtige Analogie: Etwa hat Al Gore in den 1990er-Jahren gesagt: „Sprechen wir nicht von Adaptieren sondern lösen wir das Problem.“ Von dieser Denkweise hat er sich – und mit ihm die Umweltbewegung – aus gutem Grund abgewandt. Mittlerweile verwenden wir die Notwendigkeit der Adaptierung als Aufruf mehr in Sachen CO2-Reduzierung zu tun, aus gutem Grund. Etwas Ähnliches gilt auch, wenn wir über neue Technologien sprechen. Die Entwicklung und Forschung sind wichtig, da sollen wir auch dranbleiben. Sie ist aber nicht die Lösung des Problems.

Frage aus dem Publikum: Wir können wir lineares Denken überwinden? Wo sind gesellschaftliche Kipppunkte?

Rogenhofer: Kipppunkte kann man meist erst im Nachhinein feststellen. Wenn wir uns allerdings die letzten drei Jahre anschauen sehen wir, dass noch nie so viel möglich war wie jetzt. Die Klimabewegung ist eine riesige weltweite Bewegung. Eine Kommissionspräsidentin von der Leyen mit einem Green Deal wäre vor ein paar Jahren nicht möglich gewesen. Einige Dominosteine sind schon gefallen. Wenn die richtigen Entscheidungen getroffen werden, kann viel gelingen und irgendwann haben wir den Punkt überschritten, von dem an es ganz schnell gehen wird. Die wichtige Frage ist nur, ob wir diesen Punkt rechtzeitig erreichen. Jede und jeder von uns kann persönlich etwas dazu beitragen und in der Gemeinde, oder auch im Unternehmen nervig sein.

Frage aus dem Publikum: Welche sozialen Verwerfungen stehen uns bevor, wenn wir die Pariser Ziele verfehlen?

Wadsak: Wenn wir so weiter tun wie bisher, dann wird die Erwärmung zum Selbstläufer. Wir haben die Chance das Klima zu stabilisieren. Wenn wir die Erwärmung nicht stoppen dann wird es einen Kampf um Essen, Wasser und Land geben – das ist Realität.

Frage aus dem Publikum: Wie bleibt unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig, wenn Europa klimafreundlich ist?

Rogenhofer: Wenn wir die Wirtschaft erhalten wollen, dann brauchen wir den Klimaschutz. Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit kann zum Beispiel durch Grenzzöllen für die Einfuhr in die EU beantwortet werden. Zudem wird die Nachfrage nach grünen Produkten, wie z.B. grünem Stahl, steigen. Das ist ein Vorteil für first mover. Natürlich braucht es die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die das möglich machen.

Die Expert*innen

Katharina Roggenhofer

Ihr Buch: Ändert sich nichts, ändert sich alles. Warum wir jetzt für unseren Planeten kämpfen müssen. Das beeindruckende Plädoyer für einen Green New Deal der Fridays-for-Future-Aktivistin.

Katharina Rogenhofer ist das Gesicht der FFF-Bewegung hier in Österreich. & Initiatorin des Klimavolksbegehrens (400.000 Unterschriften). Vieles, das wir heute im Nationalrat diskutieren entspringt diesem Klimavolksbegehren. Österreicherin des Jahres 2021 – in der Kategorie Klimaschutz – gekürt von der TZ die Presse. 2020 gekürt zur Nachhaltigen Gestalterin des Magazins BUSINESSART.

Gernot Wagner

Sein Buch: Stadt, Land, Klima – Warum wir nur mit einem urbanen Leben die Erde retten. Der renommierte Klimaökonom liefert einen überraschenden Befund: Ausgerechnet in den Städten steckt die Lösung. Zwischen modernster Technologie und Fahrrad, Kreativität und Bodenständigkeit, Effizienz und Resilienz können wir ein neues Klimakapitel aufschlagen.

Gernot Wagner: gebürtiger Amstettner - lebt, lehrt und forscht in New York, wo er unter anderem den NY Bürgermeister in Klimafragen berät (als Mitglied eines unabhängigen Expertengremiums). Mit 16 Jahr im Rahmen eines Austauschprogramms nach USA gegangen und dort geblieben. Harvard, Stanford, die NY und Columbia University sind seine bisherigen Stationen. Sein letztes Buch zum Thema ist 2015 erschienen – Climate Shock - beschreibt die wirtschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels und ist als solches auch zu einem der TOP-15-Wissenschaftsbücher des Jahres gekürt worden

Marcus Wadsak

Sein Buch: Klimawandel – Fakten gegen Fake & Fiction. Der Wetterexperte informiert unschlagbar kompakt auf dem aktuellsten Stand der Wissenschaft und gibt Antworten auf die brennendsten Fragen zum Thema Klimawandel.

Marcus Wadsak ist der Mann, der uns im Fernsehen das Wetter erklärt. Sein Buch ist nur ein Teil seines großen Engagements im Klimaschutz. Er wurde mehrfach zum Journalisten des Jahres in der Kategorie Wissenschaft gewählt, und 2021 zum Nachhaltigen Gestalter durch das Magazin BUSINESSART. Er ist Gründungsmitglied von Climate without Borders und einer der österreichischen Botschafter des Europäischen Klimapaktes.

Moderation:

Bettina Kerschbaumer-Schramek

Bericht:

Roswitha M. Reisinger, BUSINESSART

Links, und Tipps, die im Laufe des CSR-Circle geteilt wurden:

"degrowth": https://gwagner.com/risky-climate-degrowth/

Ansatz zu Wachstum/Mangel und Überschuss: Donut-Ökonomie von Kate Raworth

Sonnentor zb bilanziert mit einer Gemeinwohlbilanz: https://www.sonnentor.com/de-at/ueber-uns/kreislaufwirtschaft/gemeinwohl-oekonomie-was-ist-das

Bhutan misst seit über 10 Jahren das Bruttosozialglück, wo ua. Einkommen, Wohnung, Bildung, Zustand der Umwelt ua. einbezogen werden: Green Accounting, Bruttosozialglück usw: https://gwagner.com/sustainability

negative Kipppunkte:  https://gwagner.com/tipping-economics ; positive Kipppunkte: https://www.pnas.org/content/117/5/2354

https://gwagner.com/risky-climate-austria (auch im Bezug auf Österreich)

Welche sozialen Verwerfungen stehen uns bevor, wenn wir die Pariser Klimaziele verfehlen? https://gwagner.com/12years/ (NYT op-ed)

Wettbewerbsfähigkeit: mein Testament im EP https://gwagner.com/ep-itre-fit-for-55/

Über den CSR-Circle

Der CSR-Circle ist ein offenes b2b-Netzwerk für Menschen, die sich beruflich für Nachhaltigkeitsthemen und Corporate Social Responsibility interessieren. www-csr-circle.at