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bellaflora Gartencenter GmbH

Mag. Alois Wichtl, Geschäftsführer, Mag. Isabella Hollerer, Nachhaltige Entwicklung

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Begründung der Jury: Nach der Auslistung aller chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel 2013 wurden 2014 die chemischsynthetischen Düngemittel aus den Regalen verbannt und zu 100 % durch natürliche, biologische Produkte ersetzt. 2014 beginnt der Ausstieg aus dem Handel mit Torferden.

BUSINESSART: Gratulation – Sie sind zum zweiten Mal Nachhaltige Gestalter des Jahres. Das gab es bisher noch nie. Wie hat diese Reise begonnen?

WICHTL: Wir haben uns gefragt, wo die Firma in Zukunft stehen soll und eine rege Debatte geführt, wie wir unseren Namen „die grüne Nummer eins“ stärken können. Wir hatten bis dahin viel getan – zum Beispiel gibt es seit 2004 eine eigene Biolinie – aber nicht fokussiert und koordiniert. Dazu kommt, dass unsere Eigentümerin KR Hilde Umdasch großen Wert auf Umwelt, Mensch und Natur legt. Sie unterstützt nicht nur – sie gab auch den Anstoß für eine verstärkte grüne Positionierung. Zu Beginn war uns nicht bewusst, wohin die Reise geht bzw. vor allem nicht, wie viele Facetten mitspielen und wie umfangreich das Thema ist. Wir haben vor ein paar Monaten den Sprung geschafft, dass alles was in der Firma passiert aus der Perspektive „Nachhaltigkeit“ betrachtet wird. Nachhaltigkeit ist kein Thema mehr, sondern eine Grundhaltung geworden.

HOLLERER: Deutlich wird das auch durch die Verzahnung der Nachhaltigkeitsstrategie mit der Unternehmensstrategie. Heuer haben wir erstmals eine Symbiose geschaffen – es gibt nur mehr ein Papier. Die wesentlichen Punkte der GRI finden sich darin.

BUSINESSART: Warum haben Sie die chemischsynthetischen Pestizide als Erstes ausgelistet?

WICHTL: Wesentliche Auslöser waren die negativen Auswirkungen, die Glyphosate auf Mensch und Umwelt haben. Die Pestizide sind allgegenwärtig – sie beherrschen uns bereits. Aus einer heftigen Debatte mit unserer Eigentümerin ist ein riesiger Schwung für eine nachhaltige Entwicklung entstanden. Es war nur noch die Frage, ob wir den Ausstieg schleichend machen, also ein Produkt nach dem anderen, oder alles sofort umstellen. Wir haben uns für Letzteres entschieden.

BUSINESSART: War das nicht ein großes Risiko?

HOLLERER: Ja, wir haben 52 Produkte ausgelistet, darunter einige Bestseller, wie round up. Aber hätten wir damals diese Entscheidung nicht so getroffen, würde uns der Mut, den wir heute haben, fehlen.

WICHTL: Wir hatten damals großes Bauchweh! Wir hatten zwar die Rückendeckung der Eigentümerin, wir haben das Risiko kalkuliert und sind es aktiv eingegangen. Die Firma wäre bei einem Absturz nicht zugrunde gegangen, aber es hätte sich ausgewirkt.

BUSINESSART: Wie schwierig war es, die neuen Produkte überhaupt zu bekommen?

WICHTL: Das war eine erfreuliche Überraschung: Wenn man fragt, bekommt man Antworten. Es gab ja bereits Produkte. Firmen, die bis dahin nichts anbieten konnten, haben mit unserer Nachfrage und etwas Zeit neue Produkte entwickelt. Unsere Lieferanten sind im Wesentlichen die gleichen geblieben, einige kleinere, spezialisierte sind hinzugekommen. Geholfen hat, dass bellaflora einen guten Namen in der Branche hat, und immer Leitfunktion übernommen hat.

HOLLERER: Die Umstellung hat darüber hinaus ein vollkommen neues Feld eröffnet, das es in dieser Form, in dieser Menge, Vielfalt und Kontinuität noch nicht gegeben hat: das Angebot von Pflanzenstärkungs- und Pflanzenhilfsmitteln, auch homöopathischer Mittel. Das wird toll angenommen.

BUSINESSART: Veränderung bedeutet immer Verunsicherung. Wie haben Sie Ihre MitarbeiterInnen für den Weg gewonnen?

WICHTL: Die größte Sorge unserer MitarbeiterInnen galt unseren KundInnen. Wie argumentieren wir, dass wir diesen Weg gehen? Wie funktionieren die neuen Produkte? Bevor wir unser Produktangebot umgestellt haben, haben wir sie in unseren Märkten selbst angewendet. Da haben die MitarbeiterInnen gemerkt, dass es funktioniert.

HOLLERER: Dazu kamen natürlich Schulungen zur Philosophie und den neuen Produkten.

BUSINESSART: Ist die Eigenanwendung im Markt nicht eine große Herausforderung?

HOLLERER: Wir fangen ja nicht an, wenn der Schädling da ist, wir stärken unsere Pflanzen von Beginn an, mit effektiven Mikroorganismen, mit homöopathischen Mitteln, Schachtelhalmextrakt etc. Dadurch sind die Pflanzen kräftiger, stärker und schauen besser aus. Erst wenn wirklich ein Schädling auftritt, setzen wir ein Mittel ein – und das wirkt dann natürlich auch. Das begeistert die MitarbeiterInnen.

WICHTL: Die Schulungen haben zudem einen wunderbaren Nebeneffekt gehabt: Die Konzentration auf die richtige Kundenansprache hilft im Verkauf enorm.

BUSINESSART: Wie haben Ihre KundInnen auf die neue Positionierung reagiert? Wie haben Sie sie erreicht?

WICHTL: Wir haben jedes Jahr eine Fülle von Veranstaltungen mit unseren Stammkunden. Bei einer Abendveranstaltung habe ich erzählt, was wir vorhaben und die Leute haben spontan applaudiert. Das war sehr beeindruckend. Da war klar, unsere Kunden verstehen unseren Weg.

HOLLERER: Wir haben unzählige berührende Briefe und Mails bekommen. In diesen Momenten spürt man, dass in der Gesellschaft ein Umdenken stattfindet.

BUSINESSART: Wie hat sich Ihr Weg wirtschaftlich ausgewirkt?

WICHTL: Es war ein großer Erfolg. Wir konnten 17,9 % Umsatzsteigerung im Bereich Pflanzenschutzmittel verzeichnen. Wir hatten eigentlich gerechnet, dass wir die ersten beiden Jahre Umsatzeinbußen haben werden. Genau das Gegenteil ist passiert. Ich bin überzeugt, dass wir auch Kunden in diesem Bereich verloren haben. Aber offensichtlich haben wir mehr neue gewonnen.

HOLLERER: Das schöne ist, dass wir Kunden gewonnen haben, die sich für Nachhaltigkeit interessieren.

WICHTL: Es ist eigentlich ein Klassiker: Wenn du merkst, dass du mit deinen Schritten wirklich etwas bewegen kannst, macht das Mut, in vielen anderen Dingen neue Wege zu gehen. Da muss ich nicht mehr über Nachhaltigkeit nachdenken, sie passiert und funktioniert.

HOLLERER: Genau dadurch unterscheiden wir uns auch von anderen Unternehmen. Wir wollen etwas verändern und sind selbst die Veränderung, indem wir im Kerngeschäft ansetzen.

WICHTL: Fakt ist, dass wir lernen und gespannt zusehen, wie wir uns verändern. Das geht rasch. Man merkt gar nicht mehr, dass man sich verändert hat. Es fällt erst auf, wenn man reflektiert.

BUSINESSART: Heuer haben Sie die nächsten Schritte eingeleitet: Dünger und torffreie Erde.

HOLLERER: Diese beiden Schritte sind schon deutlich komplizierter. Bei Pflanzenschutzmitteln wirkt meist ein einzelner Stoff. Das heißt, ich kann – etwas vereinfacht gesagt – ein Produkt durch das andere ersetzen. Dünger wirken über ein Zusammenspiel von verschiedensten Bestandteilen. Es ist viel komplizierter, diese Rezepturen anzupassen. Torffreie Erde ist wirklich die große Herausforderung. Torf ist im Prinzip eines der besten Substrate im Gartenbau: Es speichert Wasser perfekt, der pH-Wert ist genau einstellbar, man kann ihn ganz speziell aufdüngen. Das ist zwar unnatürlich für die Pflanze, aber sehr praktisch.

WICHTL: Vor einem halben Jahr war mir die Dimension dieses Themas nicht bewusst. Torf ist ein riesiger CO2-Speicher. Nur 3 % der Erdoberfläche sind Moore, aber 30 % des Kohlenstoffvorkommens  auf dem Festland sind dort gespeichert – und damit mehr als in allen Wäldern auf der Erde. In Österreich unterliegt der Abbau ganz strengen Bedingungen, daher importieren wir den Torf aus Deutschland, der Ukraine oder Russland – wir exportieren das Problem! Auch Bio- Erden können zum Beispiel bis zu 70 % Torf enthalten!

HOLLERER: Das Problem ist, dass man Torf nicht durch ein einzelnes Substitut ersetzen kann – es bedarf Mischungen. Die Erzeuger basteln gerade an massentauglichen Lösungen, mit Holzfasern, Spelzen von Reis oder Mais, Mineralien oder Elefantengras. 10 – 15 Produkte werden gerade getestet. 2015 können wir alle Erden mit weniger als 50 % Torf anbieten. Das ist ein Riesenschritt.

BUSINESSART: Haben Sie eine Exit-Strategie überlegt?

WICHTL: Ich kann mir den Punkt nicht vorstellen, an dem wir gesagt hätten, dass wir es lassen. Wir hätten uns viele zusätzliche Gedanken gemacht und Maßnahmen gesetzt. Das gilt auch für die Erden. Ich bin sicher, dass das funktionieren wird, obwohl sich die Anwendung ändert. Unsere Kunden werden das mitmachen. Sie sind informierter als wir geglaubt haben.

BUSINESSART: Im Gespräch gewinnt man den Eindruck, dass der Prozess Sie auch persönlich verändert hat. Die CSR-Beauftragte argumentiert wirtschaftlich, der Geschäftsführer ökologisch.

WICHTL: Ja, das ist spannend. Ich habe ein neues Weltbild bekommen. Ich kann nicht sagen, dass mich Umweltthemen vor 10 Jahren so beschäftigt haben. Durch die Branche, durch die Firma hat sich das stark geändert.

HOLLERER: Ich war sehr nachhaltig orientiert. Jetzt erlebe ich, dass ich auch wirtschaftlich etwas bewegen kann. Das ist befriedigend und macht mutig.

WICHTL: Das Interessante ist, dass sich Ökologie und Ökonomie verbinden lassen. Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmern, mit ganz klaren, harten wirtschaftlichen Vorgaben. Ich kann mich noch gut an den Beginn der Umweltbewegung vor 20 Jahren erinnern. Da haben wir sehr bezweifelt, dass das funktionieren kann. Wir leben in einer Zeit, in der Profit zählt und nicht irgendwelche Spinnereien. Das Tolle ist, dass wir erleben, dass es funktioniert: Ich kann locker gewinnorientiert sein und gleichzeitig nachhaltig. Vielleicht ist es sogar umgekehrt. Vielleicht ist es gerade diese Ausrichtung, die mir als Unternehmen hilft. Das hat sich sicher in den letzten Jahren geändert.