Die Ökonomie der Großzügigkeit
GUIDED BY THE FUTURE | Regenerativ & Fair
Fred Luks, Publizist
Eine gute Zukunft und eine nachhaltige Entwicklung lassen sich nicht allein durch Effizienz, Expansion und elaborierte Technik erreichen. Echte Zukunftsfähigkeit braucht auch Opulenz, Maß und Kultur. Die Ökonomie der Großzügigkeit verbindet diese Faktoren, ohne sie zu verabsolutieren. Großzügigkeit liegt gleichsam in der Mitte zwischen Verschwendung und Geiz.
Verschwendung ist bekanntlich nicht nachhaltig – aber eine Gesellschaft ganz ohne Verschwendung ist weder denkbar noch wünschenswert. Und Geiz – zum Beispiel in Form einer übertriebenen Orientierung an Effizienz und Sparsamkeit – ist ebenfalls nicht nachhaltig, weil er eben nicht „geil“ ist, sondern demotivierend. Insoweit positioniert sich die Ökonomie der Großzügigkeit zwischen einem effizienzgläubigen „grünen Wachstum“ und dem streng konsumkritischen „Postwachstum“.
Die Ökonomie Großzügigkeit basiert wesentlich auf der Kritik an der Dominanz einer Idee – der Effizienz. Die Orientierung an Effizienz ist eine Orientierung an einem Leitbild der Steigerung, der Expansion, der Ausweitung. Dass diese Ausrichtung prinzipiell kein Maß kennt und dass dies in einer endlichen Welt zum existenziellen Problem wird, ist eine der Hauptbegründungen für die Großzügigkeit.
anders zu denken und das, was heute als
„normal“ gilt, kritisch zu hinterfragen.
Auch für Unternehmen bedeutet die Ökonomie der Großzügigkeit eine Infragestellung üblicher Leitbilder wie Effizienz und Expansion. Diese Zielsetzungen müssen nicht gänzlich aufgegeben werden, aber ihre Dominanz ist gründlich zu hinterfragen. Ein wichtiger Begriff ist dabei „Slack“ – das Vorhandensein nicht-genutzter Ressourcen. Großzügigkeit heißt mit Blick auf unternehmerische Aktivitäten, Ressourcen nicht stets „bis zum Anschlag“ zu nutzen, sondern Spielraum zu lassen für Kreativität und Entwicklung und damit gleichzeitig einen Puffer für Krisenzeiten zu schaffen.
Hier zeigt sich auch die Anschlussfähigkeit des Konzepts an politische Prozesse. Die Handelspolitik war jahrzehntelang von Glauben an Globalisierung, Effizienzgewinne und komparative Kostenvorteile geprägt. Durch die Corona-Krise, den russischen Überfall auf die Ukraine und das wachsende Bewusstsein für die Abhängigkeit von China hat hier ein grundlegendes Umdenken eingesetzt. Effizienz und Wachstum bleiben relevante Ziele – aber ihre Dominanz wird hinterfragt, weil Resilienz, Sicherheit, Lieferkettenverantwortung und Sicherheit immer wichtiger werden und heute einen ganz anderen Stellenwert haben also noch vor 10 Jahren. Zugespitzt: Effizienz steht in der Kritik, Großzügigkeit wird relevanter.
Ein zentrales Anwendungsfeld der Großzügigkeit ist das Tierwohl – und das betrifft Unternehmen ebenso wie politische Akteure. Es ist evident, dass unser Umgang mit Tieren grundlegend umgestaltet werden muss, wenn eine wirksame Transformation zur Nachhaltigkeit gelingen soll. Gleichzeitig wird hier deutlich, dass sich nicht alle Probleme technologisch lösen lassen: Der heutige „Verbrauch“ an Tieren lässt sich gar nicht qualitätsvoll, ethisch vertretbar und nachhaltig organisieren – jährlich werden weltweit 80 Milliarden Tiere (!) geschlachtet. Was es braucht, ist ein großzügiger Umgang mit Tieren, der ihnen genügend Lebensraum und ein würdiges Leben und Sterben ermöglicht.