Dominik Beron, Gründer und Geschäftsführer refugeeswork.at
Benachteiligte Menschen finden Arbeit.
Was hat dich geprägt?
Meine Familie, meine Freunde und später auch John Rawls, insbesondere der Gedanke, dass man für die wesentlichen Dinge im Leben, nicht selbst verantwortlich ist, da sich niemand selbst aussuchen kann, wann oder wo man geboren wird, ob man gesund oder krank ist.
Wie bist du auf die Idee gekommen, Refugeeswork.at zu gründen?
Ich habe zufällig einen Geflüchteten getroffen, der unheimlich viel Potential und Ambitionen, aber keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatte. Er war aus Pakistan, wollte Wirtschaft studieren und dann wieder zurück in sein Heimatland Pakistan und das Bildungssystem ändern, damit jeder Mensch Zugang zu höherer Bildung erhält.
Was waren die ersten Schritte?
Wir haben zuerst den Status Quo evaluiert: gibt es überhaupt ein Problem bzw. gibt es bereits Lösungen? Danach ging es darum, ein Team aufzubauen.
Was/Wer hat dich unterstützt? Wo waren Hindernisse? Gab es auch Punkte, an denen das ganze Projekt hätte scheitern können?
Unterstützt haben mich mein Team (damals noch des Sozialunternehmens „Alltagshelden“), meine Freundin & Freunde, meine Familie…
Hindernisse waren – wie bei jeder Unternehmensgründung – überall: Rechtslage, Bürokratie; finden der richtigen Leute für das Team; Unsicherheit, wie Unternehmen (als Kunden) reagieren; klären, wie man als Sozialunternehmen die Finanzierung aufstellt, um seine MitarbeiterInnen fair bezahlen zu können; Sorge, ob das Projekt wirklich „groß“ werden kann und und und…
Das Projekt hätte schon scheitern können, und wir sind noch sehr jung, insofern ist noch alles offen. Aktuell haben wir aber das Glück, dass es uns sehr gut geht und wir uns keine Gedanken über die nähere Zukunft machen müssen.
Wie arbeitet ihr? Wer bringt was ein?
Ich habe ein großartiges Team. Ohne das würde das alles nicht funktionieren! Anfangs waren wir zu viert: Jacob Wagner (alter Freund und Co-Gründer von Alltagshelden), Christoph Hauer (Programmierer, auch Co-Gründer von Alltagshelden) und vor allem Fatima Almukhtar, die ich zufällig Anfang 2016 kennengelernt habe sowie Verena Hanna, die uns von Anfang an – neben Job und Studium – freiwillig unterstützt. Jacob unterstützt uns mittlerweile noch auf Freelance Basis, an seine Stelle ist Lara Kriwan gestoßen. Sie ist großartig und bei uns zuständig für Customer & Community Happiness. Außerdem arbeiten wir mit vielen Leuten auf Projektbasis zusammen die alle unglaublich tolle Arbeit leisten! (Sehr viele von Ihnen haben auch selbst Fluchthintergrund.)
Jeder bringt seine Stärken ein. Ich: Business & Produktentwicklung; Fatima: User Growth, Marketing und alle Agenden, die Geflüchtete betreffen; Christoph die Programmierung und Lara die Kundenbetreuung und Partnerschaften.
Die Zusammenarbeit passt toll, obwohl wir kein Office haben (bewusste Entscheidung), keine festen Arbeitszeiten, wir sind paper free etc. etc.
Wie sieht die Finanzierung von refugeeswork aus?
Wir finanzieren uns über jährliche Mitgliedsbeiträge von ArbeitgeberInnen gestaffelt nach deren Größen (dh. MitarbeiterInnenanzahl) wobei für kleine Unternehmen bis 25 MitarbeiterInnen vorab keine Kosten anfallen – erst nach erfolgreicher Vermittlung kann selbst ein Beitrag gewählt werden. Bei Unternehmen ab 26 MitarbeiterInnen starten die Kosten bei 500 EUR pro Jahr und gehen dann nach oben. Mitglieder erhalten freien Zugang zu unserer Plattform mit allen Leistungen. Zusätzlich bieten wir neuerdings auch Unterstützung beim Onboarding, das ist die erste Zeit bei einem neuen Unternehmen. Die ist besonders erfolgskritisch
Könnt ihr vom Projekt leben?
Ja, wir (meine fixen MitarbeiterInnen und ich) bekommen Gehälter und jede/r ist am Unternehmen beteiligt. Dieses Angebot bekommt jede/r neue MitarbeiterIn. Wir arbeiten aber auch mit Freiwilligen und haben Pro Bono UnterstützerInnen (z.B. Rechtsberatung von C‘M‘S)
Wie viele Arbeitssuchende und Mitarbeitersuchende habt ihr zurzeit auf der Plattform? Wie ist die Entwicklung?
Über 4200 registrierte Geflüchtete, mit unseren Job-Inseraten auf der Plattform erreichen wir natürlich noch viele mehr. Jeden Tag kommen neue Nutzer hinzu.
Was sind die häufigsten Probleme der beiden Gruppen? Was bietet ihr als Unterstützung an?
Das Wichtigste ist sicher gutes „matching“ und dann vor allem gute Vorbereitung und Klärung der Erwartungshaltung auf beiden Seiten. Für einen erfolgreichen Einstieg sind vor allem die ersten drei Monate entscheidend. Daher bieten wir KundInnen jetzt auch Unterstützung beim Onboarding als Zusatzleistung.
Was war das Tollste, das dir bis jetzt begegnet ist?
Es gab viele großartige Erlebnisse: Viele Geflüchtete, aber auch „ÖsterreicherInnen“, die sich bei uns für die Unterstützung bedanken. Erst kürzlich wurde ein Geflüchteter, den wir vermittelt haben, von geringfügig auf Vollzeit aufgestockt. Er sagt, dass er die Hoffnung schon aufgegeben hatte etwas zu finden, bis wir im geholfen haben. Jetzt ist er überglücklich mit seinem Job und baut sich hier ein neues Leben auf.
Aber auch teamintern: dass einer unserer freiwilligen Unterstützer durch uns erstmals in Kontakt mit Social Media kam und jetzt darin seine Passion gefunden hat und diesen Berufsweg gehen will (er hat auch schon eine Stelle in einer Agentur).
Generell ist es das schönste Gefühl positiven Einfluss auf das Leben anderer zu haben und eine Veränderung anzustoßen die nicht passiert wäre, wenn es einen nicht gäbe.
Was ist deine Vision der Plattform? Was sind deine nächsten Ziele?
Wir haben noch viel vor:
Internationalisierung unserer Plattform, um auch anderen Organisationen auf europäischer Ebene unsere Plattform zugänglich zu machen, indem wir Lizenzen vergeben. Die Lizenznehmer müssen nicht selbst programmieren. Sie erhalten das gesamte Knowhow und können sich dadurch auf die konkrete Arbeit vor Ort konzentrieren.
Ausweitung auf MigrantInnen: wir wollen mit unserer Plattform eine Lösung bauen, die für Menschen anderer Herkunft gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt schafft, indem Sie den gesamten recruiting und onboarding prozess für beide Seiten (Arbeitssuchende und ArbeitgeberInnen) vereinfacht.
Außerdem arbeiten wir gerade mit Stanford University an einer Lösung mit der wir Coachingleistungen für Arbeitssuchende automatisieren wollen, um künftig jeder/jedem Arbeitssuchen bzw. am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen dabei zu helfen Arbeit zu finden die ihren Fähigkeiten entspricht.
Refugeeswork.at ist eine Initiative der Talent and Diversity GmbH
Gegründet: April 2016
Sitz: Wien
Geschäftsfeld/Branche: HR/Recruiting
Anzahl der MitarbeiterInnen: 4
Foto: refugeeswork