Finanzströme Richtung Nachhaltigkeit lenken
Stellungnahme zum EU-Aktionsplan Finanzierung Nachhaltigen Wachstums
Bei der Bewältigung der vielfältigen globalen Herausforderungen wie Armut, Hunger, Klimawandel, Wasserknappheit, Artensterben, Arbeitslosigkeit, Menschenrechte, Bildungsnotstand und Kriegen nimmt der Finanzsektor im wirtschaftlichen Gesamtgefüge eine Schlüsselfunktion ein. In seiner Rolle als Investor, Kreditgeber, Vermögensverwalter, Finanzdienstleister, Risikomanager und Versicherer erzielt er Hebelwirkungen. Mit den globalen nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) und den Klimazielen von Paris hat sich die internationale Gemeinschaft ehrgeizige Ziele gesetzt. Nach eigenen Schätzungen muss die Europäische Union allein zur Umsetzung der Klima- und Energieziele jährlich 180 Milliarden EUR an zusätzlichem Kapital mobilisieren. Ohne nachhaltig ausgerichtete öffentliche und private Investitionen wird diese gewaltige Aufgabe nicht zu stemmen sein. Jedoch reicht das Volumen Nachhaltiger Geldanlagen bislang bei Weitem nicht aus , um diesen Herausforderungen angemessen zu begegnen.
Vor diesem Hintergrund unterstützen CRIC, das FNG (Forum Nachhaltige Geldanlagen), ökofinanz 21 und ÖGUT den EU-Aktionsplan Finanzierung Nachhaltigen Wachstums und die hierzu von der Europäischen Kommission im Juni bzw. August 2018 vorgelegten vier Gesetzesvorlagen:
1. Entwicklung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Aktivitäten
2. Nachhaltigkeitspflichten von institutionellen Investoren und Vermögensverwaltern
3. Einheitliche Referenzwerte für CO2-Benchmarks
4. Verpflichtende Integration von Nachhaltigkeit in den Kundenberatungsprozess
Insbesondere begrüßen wir, dass einige unserer langjährigen Forderungen zu Förderung, Transparenz und Qualitätssicherung Nachhaltiger Geldanlagen enthalten sind. Hierzu gehören verstärkte Offenlegungspflichten für Vermögensverwalter in Bezug auf ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten sowie die verpflichtende Integration von Nachhaltigkeit in die Kundenberatung bei Finanzdienstleistern.
Darüber hinaus sollten folgende Punkte zwingend Berücksichtigung finden:
1. Zur Entwicklung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Aktivitäten
a) Bestehende Erfahrungswerte, Expertise und Tools nutzen:
Die Entwicklung der EU-Taxonomie muss auf bereits geleisteten Arbeiten aufbauen und beispielsweise in den Mitgliedstaaten und europaweit bestehende Standards, Leitfäden, Klassifizierungssysteme und Zertifizierungen einbeziehen, um den Vorleistungen von in Bezug auf Nachhaltigkeit ehrgeizigen Marktakteuren Rechnung zu tragen und Erfahrungswerte effektiv zu nutzen. Auch die Frage, wie die angedachte spätere Anwendung der Taxonomie den etablierten und praxiserprobten nachhaltigen Anlagestrategien (z.B. Ausschlussstrategien, Best-in-Class, Engagement) gerecht werden kann, sollte nach Möglichkeit von Beginn an mitgedacht werden. Es ist von zentraler Bedeutung, den Mainstream-Markt zu erreichen, um mehr Marktvolumen für nachhaltige Investitionen zu generieren und damit die Hebelwirkung des Finanzmarktes effektiv zu nutzen. Die Aufgabe des EU-Gesetzgebers ist es, einen anspruchsvollen Rahmen zu setzen, in der Umsetzung jedoch Spielräume zu lassen – auch mit Blick auf nationale Besonderheiten. Die Taxonomie sollte die Innovationskraft des Marktes für die Entwicklung von Nachhaltigkeit befördern und nicht behindern.
b) Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Nachhaltigkeitsakteure einbeziehen:
Bei der Zusammensetzung der Sustainable Finance Platform muss gewährleistet sein, dass die Breite des vorhandenen -Wissens genutzt wird und die maßgeblichen Stakeholder adäquat einbezogen werden. Insbesondere sollten Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Nachhaltigkeitsverbände ausreichend repräsentiert sein. Hierfür ist es auch wichtig, dass für diese Bereiche typische Rahmenbedingungen bereits im Bewerbungsprozess sowie im organisatorischen Set-Up Beachtung finden.
c) Soziale und governance-bezogene Aspekte einbeziehen:
Das Legislativpaket enthält bislang keine Angaben, wann und wie soziale und governance-bezogene Aspekte in die Taxonomie aufgenommen werden sollen. Dies sollte unbedingt geschehen und bereits jetzt konkret geplant werden. Zudem ist zu prüfen, welche weiteren ökologischen Herausforderungen adressiert werden müssen.
Bei der Erstellung der technischen Evaluierungskriterien sind außerdem Wechselwirkungen zwischen ökologischen und sozialen Zielen zu berücksichtigen. Durch die einseitige Fokussierung und Verengung auf ökologische Themen oder allein den Klimawandel könnte auch die für die Umsetzung der Legislativpakete wichtige öffentliche Unterstützung leiden. Des Weiteren sollten bei der Entwicklung der Taxonomie nicht intendierte Wirkungen wie Rebound- und Lock-In-Effekte beachtet werden.
d) Potenziellen Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken:
Es muss darauf hingewirkt werden, dass Anbieter von Finanzprodukten auf Basis von Nachhaltigkeitsansätzen, die von der Taxonomie (noch) nicht abgedeckt werden, keine Benachteiligung erfahren. Hierfür sind Vorkehrungen für die Übergangsphase erforderlich, die sich an bestehenden Ansätzen und Marktgepflogenheiten orientieren.
2. Nachhaltigkeitspflichten von institutionellen Investoren und Vermögensverwaltern
Angaben zu genutzten nachhaltigen Anlagestrategien aufnehmen:
Die Darstellung des Investitionsziels sollte auch Informationen zu den verwendeten nachhaltigen Anlagestrategien umfassen. Zudem sollte die Darstellung der Nachhaltigkeitsrisiken durch Nachhaltigkeitschancen ergänzt werden. Als Beispiel für einen bereits gut am Markt etablierten Standard sei hier der Eurosif Transparenzkodex (seit 2008) genannt.
3. Einheitliche Referenzwerte für CO2-Benchmarks
a) Weitere Nachhaltigkeitsaspekte adressieren:
Die für CO2-Benchmarks geplanten Maßnahmen sollten auch auf andere Benchmarks mit Nachhaltigkeitsbezug ausgedehnt werden. Allein die von der EU im Rahmen der Taxonomie angestrebten sechs Umweltziele gehen über C02-Emissionen hinaus. Außerdem sind soziale und governance-bezogene Kriterien ebenso wichtig.
b) Vergleichbarkeit durch Transparenzstandards gewährleisten:
Die Offenlegungspflichten in Bezug auf Methodik und Investitionsziele sind richtig und wichtig. Hierfür sollten einheitliche Standards entwickelt werden, um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
c) Transparenzstandards für konventionelle Benchmarks entwickeln:
Um die nötige Breitenwirksamkeit für die Mobilisierung zusätzlicher Kapitalflüsse für die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, sollten auch konventionelle, von der Mehrheit der Investoren genutzte Benchmarks adressiert werden. Wenn eine mangelnde Harmonisierung der Referenzwerte für CO2-Benchmarks abschreckend wirkt, dann ist es auch wichtig, Transparenzstandards für Nachhaltigkeit – bzw. im ersten Schritt für CO2-Aspekte – für weitere Benchmarks zu entwickeln, um den Mainstream-Markt zu erreichen.
4. Verpflichtende Integration von Nachhaltigkeit in den Kundenberatungsprozess
Vorhandene Expertise nutzen:
Die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden sollte planvoll, strukturiert und aufbauend auf den Erfahrungen von Marktakteuren erfolgen. Das bedeutet, dass bei der Umsetzung in den Nationalstaaten Empfehlungen der relevanten Akteure einbezogen werden sollten, die sich unter anderem auf eine Sammlung von Praxisbeispielen stützen können.
Vorgaben regelmäßig überprüfen und anpassen
Für die Inhalte und Ausgestaltung aller vier Gesetzesvorlagen gilt: Sie müssen kontinuierlich überprüft und bei Bedarf angepasst werden, um dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen, technologischen und branchenspezifischen Entwicklungen zu entsprechen. Innovationen und neue Erkenntnisse sowie Erfahrungswerte sollten zwingend einfließen. Insofern ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass für diesen Zweck mit Blick auf die Taxonomie ein eigenes Gremium – die Sustainable Finance Platform – geschaffen werden soll und teilweise Evaluierungen vorgesehen sind. Mit Blick auf Fragen der Überprüfung, Evaluierung und Anpassung sollte entschlossen und mit einem hohen Maß an Sorgfalt vorgegangen werden.
Ausblick
Die Organisationen, die diese Stellungnahme verfasst haben, werden die Debatte und den Prozess der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten der EU weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten und sich gerne mit den eigenen Erfahrungen und Kenntnissen einbringen. Der von der EU angestoßene Prozess ist wichtig und mit Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit ein zentraler Beitrag.