Im Namen des Klimas
Eine konstruktive Streitschrift nennt die Autorin, Elisabeth Zehetner, oecolution, einer wirtschaftsnahen NGO, ihr Buch.
Elisabeth Zehetner sieht nicht nur das Klima aufgeheizt sondern auch die Debatte darüber:
"Die Positionen von Klimaskeptikern oder Leugnern des Klimawandels auf der einen Seite und Klimaaktivisten stehen sich mittlerweile unversöhnlich gegenüber. Dabei hat sich die Debatte über den Klimawandel zwischen Ignoranz und Panikmache stark zugespitzt. Sie nimmt fanatische und manchmal auch autoritäre Züge an. Die Vernunft bleibt auf der Strecke".
Sie sieht sieht sich und ihr Buch als jenes einer Öko-Optimistin.
Elisabeth Zehetner: Im Namen des Klimas. Warum die Zukunft mehr Vernunft braucht. Ecowing-Verlag. ISBN 978-3-7110-0339-3.
Rezension von Thomas Brudermann, Universität Graz
Mit bequemen Halbwahrheiten gegen wirksame Klimapolitik
Eine Einordnung der Streitschrift „Im Namen des Klimas“ von E. Zehetner
Es gäbe zwei gute Gründe, ein zweifelhaftes Buch besser zu ignorieren als öffentlich zu kritisieren. Erstens gibt man dem Buch Aufmerksamkeit, die es eigentlich nicht verdient. Zweitens macht man sich damit keine Freunde, denn selbst vorsichtige Kritik wird nicht so bald vergessen oder verziehen. Beim Buch „Im Namen des Klimas“ ist zumindest der erste Grund hinfällig. Die Autorin leitet die Klima-NGO „Oecolution“. Publiziert wurde die Streitschrift im Verlag „EcoWing“ aus dem Haus Red Bull. Der Beifall aus fossilen Wirtschaftskreisen oder aus Red Bull Medien, die regelmäßig der Wissenschaftsverleugnung (Servus TV) oder Klimaschutz-Verzögerungsdiskursen (Der Pragmaticus) Raum geben, ist damit vorprogrammiert. Das fassungslose Kopfschütteln aus der Fachwelt ebenfalls.
Zugutehalten kann man der Autorin lediglich, dass sie den menschgemachten Klimawandel nicht leugnet. Die Dringlichkeit der Herausforderung rückt in ihrer Streitschrift aber mit jedem der neun Kapitel (oder Thesen) ein Stück weiter in den Hintergrund. Nachvollziehbare Argumente treten ob der zahlreichen Platituden („wir brauchen Technologien“) ebenfalls schnell in den Hintergrund. Immer wieder müht man sich beim Lesen durch geradezu absurde Tiraden, z.B. gegen Journalist*innen, die faktenbasierte Klimaberichterstattung betreiben und einfordern, oder gegen Universitäten, die Klimawandelbildung in Basismodule aufnehmen – denn das sei Indoktrinierung. Die Abneigung der Autorin gegen Klimawandelbildung und fundierten Klimajournalismus ist aber irgendwo nachvollziehbar: Je schlechter der Informationsstand des Publikums, desto wahrscheinlicher der Beifall für ihr Werk. Im Quellenverzeichnis finden sich wenig überraschend keinerlei Studien aus Fachzeitschriften, sondern in erster Linie Meinungsartikel. Auch Pseudostudien mit großen methodischen Fragezeichen sind dabei, beauftragt von der eigenen Organisation.
Zehetners Streitschrift krankt schon an ihrem Fundament, in dem sie die Vertreter*innen der Klimabewegung auf eine Stufe stellt mit „Klimaleugnern“. Beide Positionen seien radikal und würden die Gesellschaft polarisieren. Den feinen Unterschied erwähnt sie freilich nicht: Die Kernforderung der Klimabewegung ist das Einhalten der in Paris vereinbarten Klimaziele, zu denen sich Österreich bekannt hat. Dabei handelt es sich ohnehin schon um einem Minimalkompromiss, der uns gerade noch bewältigbare Klimawandelfolgen bescheren und das Schlimmste verhindern würde. Stattdessen plädiert sie für „Vernunft“ und einen Mittelweg, den die Mitte der Gesellschaft bequem mittragen kann. Was genau ein Mittelweg zwischen globaler Katastrophe und gerade noch bewältigbarer Herausforderung sein soll, bleibt der Phantasie der Lesenden überlassen.
Häufig arbeitet die Autorin mit einer Technik, die als Strohmann-Argument bezeichnet wird: Dabei wird eine angebliche extreme Position konstruiert, die quasi niemand ernsthaft einnimmt, nur um dann dagegen zu argumentieren (Klimaräte würden eingesetzt, um Parlamente auszuhebeln, S. 36; es gäbe Technologieforschungsverbote, S. 82). Oder es werden vermeintliche Mythen „entkräftet“, die so gut wie niemand verbreitet oder ernsthaft glaubt. Im Zuge dessen stellt sie dann teilweise Gegenbehauptungen auf, die ihrerseits aus dem Reich der Mythen stammen (E-Fuels wären eine Brückentechnologie im Individualverkehr, S. 64). Um ihrer holprigen Argumentation Glaubwürdigkeit zu verleihen, verweist sie mitunter auf „Expertenbefunde“, die aber weder erläutert noch mit einer Quellenangabe versehen werden (S. 38).
Die Lösung könne jedenfalls nur aus Technologien und Innovationen bestehen. Also mehr Wachstum, mehr Wirtschaft, mehr Technik. Weiter wie bisher, nur mit neuen Technologien. Was in der feel-good Märchenerzählung fehlt, ist die realistische Einordnung: Viele der genannten technologische Hoffnungsträger sind in den Kinderschuhen, der großflächige Roll-Out würde noch Jahrzehnte dauern, sofern er dann überhaupt passiert. Und es gibt am Weg zur Klimaneutralität eben Herausforderungen, die sich nicht rein technologisch lösen lassen, insbesondere in den Bereichen Mobilität und Ernährung.
Man könnte die Liste der Unzulänglichkeiten lange fortführen: Die Kosten für Klimaschutz bekommen viel Aufmerksamkeit, die Kosten des Nichts-Tuns werden mit keiner Silbe erwähnt, ebenso wenig wie die positiven Auswirkungen von Investitionen in lokale Verkehrs- und Energieinfrastrukturen. Die vielbemühte Ausrede vom fürs Klima unbedeutenden Österreich darf ebenso nicht fehlen wie der Vergleich von Klimabewegung und Religion. Und weiß die Wissenschaft wirklich so genau, was für Klimaschutz notwendig ist, oder kann sich das nicht, gemäß Popper, jederzeit ändern? Man bekommt mitunter das Gefühl, die Autorin würde Wissenschafter*innen gerne zurück in ihren Elfenbeintürmen sehen, wo sie ihre unbequemen, störenden Erkenntnisse für sich behalten. Das gilt auch für Lösungen in Form von De-Growth oder dem Donut-Wirtschaftsmodell, woran die Autorin ebenfalls kein gutes Haar lässt. Die Kritik kratzt jedoch nur an der Oberfläche dieser Überlegungen und lässt nicht auf eine besonders intensive Auseinandersetzung schließen.
Resümee:
Die Autorin ruft zu einer Versachlichung der Klimadebatte auf, ist dabei aber so unreflektiert und einseitig, dass es ein bisschen weh tut. Die eigene Position wird als sachlich, vernünftig und unpolitisch maskiert, das Buch lässt aber genau diese Eigenschaften vermissen. Am Ende ist diese Streitschrift nichts als ein Plädoyer gegen ambitionierten Klimaschutz. Die Argumentationsweise ist teils so verworren, dass einer sachlichen Debatte eher geschadet als geholfen wird. Entgegen der Prämisse des Buches werden manche Technologien in den Himmel gelobt, während andere verteufelt werden. Die Lösungen, die am Ende präsentiert werden, wirken wie ein nachträglicher Einfall und sind keineswegs neu. Manche davon werden auch von Klimaaktivist*innen schon lange gefordert. Wieder einmal zeigt sich: Das Problem in der Klimadebatte sind nicht diejenigen, die für ernstgemeinten Klimaschutz eintreten. Das Problem sind diejenigen, die notwendige, sinnvolle und wirksame Maßnahmen verhindern und dies mit bequemen Halbwahrheiten rechtfertigen. Und in diesen Kreisen wird diese Streitschrift auf Gegenliebe stoßen.
Thomas Brudermann ist assoziierter Professor an der Universität Graz. Er war an verschiedenen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen tätig; u.a. an der Wirtschaftsuniversität Wien, am japanischen National Institute for Environmental Technologies, am Asian Institute of Technology und am International Institute for Applied Systems Analysis. In seiner Forschungsarbeit beschäftigt er sich u.a. mit Akzeptanz von Klimapolitik, Verzögerungsdiskursen gegen Klimaschutz und Entscheidungsanalysen im Kontext von Nachhaltigkeitstransformationen.