Martin Rohla, Katha Schinkinger, Josef Pieringer, Ibrahim Ali, Asmea Ashiba
Flüchtlinge als GastgeberInnen: Habibi & Hawara ist das erste Restaurant von Geflüchteten für ÖsterreicherInnen mitten in Wien und seit kurzem auch Lehrbetrieb und Ausbildungsstätte für UnternehmerInnen.
Was war der Auslöser dafür, Habibi & Hawara zu gründen?
Im Sommer 2015 – in der Zeit als viele Menschen zu uns gekommen sind – wollten wir, Martin und Katha, helfen und gleichzeitig ein nachhaltiges Unternehmen aufbauen, ein Social Business, das Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht.
Wir starteten mit „hosten statt posten“. Wir sind eine Community im Norden von Wien, wo wir es uns am Wochenende gut gehen lassen können. Dorthin haben wir geflüchtete Menschen eingeladen um sich zu erholen. Mit Unterstützung von Caritas, Diakonie und Unternehmen haben wir von Juli bis Oktober 1.300 Flüchtlinge gehostet, uns ums Essen gekümmert, um ärztliche Betreuung, und Sprachkurse und Jobs vermittelt. Dabei haben wir einfach das Potential der Menschen, die helfen wollen, und das Potential der Flüchtlinge – ihr unternehmerisches Potential, ihr Können als Handwerker oder Akademiker – genutzt.
Welches Ziel hatten Sie zu Beginn Ihrer Aktivitäten und wie hat es sich in der Zwischenzeit verändert?
In Europa dauert es durchschnittlich fünf Jahre bis Flüchtlinge passenden Job finden (mit Ausnahme von prekären Jobs). Unsere erste Idee war, einen Inkubator zu bauen, der UnternehmerInnen ausbildet, die dann ein Restaurant aufmachen. Dabei haben wir sehr schnell festgestellt, dass die Gastronomie keine einfache Branche ist. Es gibt ein Überangebot an guten Restaurants und die Branche ist sehr stark geregelt (Konzession etc.).
Daher haben wir uns auf neue Absatzmärkte konzentriert und bieten nun, neben dem Restaurant, auch Catering an. Das läuft ausgesprochen gut. Zudem haben wir das Restaurant von 120 auf 200 Sitzplätze erweitert und zustätzlich Frühstück und Nachmittagsküche an.
Auch bei den Abläufen haben wir viel gelernt. Zu Beginn hatten wir 90 Prozent ungelernte MitarbeiterInnen, die zudem noch nicht gut deutsch sprachen. Das Aufnehmen einer à-la-carte-Bestellung hätte sie überfordert. Daher haben wir ein Mittagsbuffet eingeführt und bieten nur abends Essen à la carte. So erreichen wir hohe Qualität ohne unsere MitarbeiterInnen zu überfordern.
Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, dass ein Kind für ein gutes Aufwachsen ein ganzes Dorf braucht. Und genauso geht es uns. Wir haben zum Glück viele UnterstützerInnen, die sowohl Kapital einbringen als auch Ihr Know-how.
Was waren die größten Herausforderungen? Wie haben Sie sie bewältigt?
Die Branche selbst ist eine große Herausforderung: wir hatten ungeschultes Personal, mit geringen Sprachkenntnissen und wollen kontinuierliche Qualität bieten.
Daher haben wir von Beginn an einen besonderen Fokus auf Unternehmenskultur gelegt. Denn das Führungsteam und das Personal sind der Schlüssel. Es braucht richtiges Leadership. Wir tun da sehr viel, auch wenn die Fluktuation bei uns niedriger ist als in der Branche. Und wir haben Mut zu raschen Entscheidungen, vor allem im Personalbereich.
Worauf achten Sie bei der Personalauswahl?
Voraussetzung sind Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 und Interesse an der Gastronomie. Um das zu sehen haben wir Probetage und eine Probezeit eingeführt. Man merkt sehr schnell, ob jemand auf den Gast zugeht, ob er oder sie eine offene Persönlichkeit ist und gern kommuniziert. Wichtig ist auch, keine Angst vor Fehlern zu haben. Aber das kann man leichter lernen als aus einer schüchternen Persönlichkeit eine offene zu machen.
Wohin geht die Reise?
Wir wollen den sozialen Gedanken mit dem Business vereinen. Es ist eine Herausforderung, die Mission und das Business Modell kongruent zu machen.
Wir machen oft aus der Not eine Tugend. Wir hatten beispielsweise kein Budget für die Renovierung. Daher haben wir uns Möbel und Geschirr von der Caritas gekauft. Und unsere Gäste finden das interessant.
Wie schaffen Sie es, mit Ihrem Geschäftsmodell auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein?
Das schaffen wir noch nicht ganz. Heuer hätten wir das erste Mal schwarze Zahlen geschrieben. Aber da wir erweitert und in eine unbedingt notwendige größere Küche investiert haben, geht sich das noch nicht ganz aus.
Grundsätzlich entwickeln wir uns aber nach unserem Businessplan. Abends brauchen wir mindestens 80 Gäste, mittags nicht ganz so viel. Unsere Menü-Schwerpunkte sind auch sehr erfolgreich z.B. das Orientalische Ganslessen. Das Catering bringt mittlerweile 30 Prozent des Umsatzes.
Wesentlich für den Erfolg ist auch unsere Wortbildmarke, die eine Geschichte erzählt: Die beiden Wörter „Habibi“ und „Hawara“ haben die gleiche Bedeutung. Humor ist ein wichtiges Element für uns, ein Vehikel um die Botschaft zu transportieren, denn wir wollen nicht auf die Tränendrüse drücken. Zudem gibt es bei uns Events, Lesungen, Musik und Pressekonferenzen.
Was sind Ihre nächsten Ziele?
Wir arbeiten an einem Franchise-System. Laut Marktforschung sind Franchise und Systemgastronomie die einzigen wachsenden Märkte weil das Risiko überschaubar ist. Wichtig ist es, den richtigen Standort und die richtigen Leute zu finden, die wir dann ausbilden können.
Welche Sustainable Development Goals (SDGs) sind für Ihren Bereich besonders wichtig?
SDG 4: Ausbildung
Die SDGs sind essentiell für unsere Welt. Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch, aber da fällt es mir ein bisschen schwer. Die Entwicklungen in Österreich und Europa machen mich pessimistisch was die soziale Komponente betrifft. Wenn NGOs Verbrecher hingestellt werden macht das sprachlos. Aber wir machen weiter. Es geht um das Fortbestehen der Menschheit.
Eckdaten zum Unternehmen:
Habibi & Hawara Gastronomiebetriebe GmbH, Wien
gegründet: 2016
Branche: Gastronomie
MitarbeiterInnen: 22
Website: http://habibi.at