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Nachhaltig Bauen in der Gemeinde

Wie Wirtschaftlichkeit und Ökologie Hand in Hand gehen

Roswitha M. Reisinger

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Kindergarten Muntlix, Architekt Matthias Hein. Foto: Caroline Begle

Sie sind die architektonischen Visitenkarten einer Gemeinde und schaffen Identität: die Schulen und  Kindergärten, das Gemeindezentrum, die Sportstätten oder Spielplätze. Entsprechend lang ist die Wunschliste von Bürgermeister*innen und Einwohner*innen: Die Gebäude sollen eine Art Wahrzeichen der Gemeinde sein, selbstverständlich funktional und ökologisch, und wenig kosten – sowohl in der Herstellung als auch im Betrieb. Gut natürlich auch, wenn beim Bau oder der Sanierung regionale Handwerker beschäftigt und Materialien aus der Region verwendet werden können.

Eine hochkomplexe Herausforderung für Bürgermeister*in und Gemeinderat. Ein großes, hoch spezialisiertes Team aus Architekt*in, Baumeister*in, Handwerker*innen, Chemiker*innen, Physiker*innen, Begrünungsexpert*innen und vielen mehr will koordiniert werden, damit das Projekt gelingt.

Das erkannte der Vorarlberger Gemeindeverband bereits zu Beginn der 2000er-Jahre und entwickelte das maßgeschneiderte Servicepaket „Nachhaltig Bauen in der Gemeinde“. „Wir begleiten die Gemeinden durch den gesamten Prozess, um nachhaltiges Bauen einfach zu machen. Wir nehmen ihnen, aber auch den Planer*innen den nachhaltig-ökologischen Rucksack ab und haben einen Prozess aufgesetzt, der gute Entscheidungen ermöglicht“, erklärt DI Dietmar Lenz, Leiter Nachhaltige Beschaffung und Vergabe im Vorarlberger Gemeindeverband.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Planungstool, in dem alle wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen abgebildet sind: von der Energieeffizienz und Materialisierung über naturnahes Bauen, Mobilität, Haustechnik (Low-Tech kommt immer mehr in den Fokus) bis hin zur Kreislaufwirtschaft (Recycling-Beton, nachwachsende Rohstoffe, Urban Mining).

Am besten und billigsten ist es für Gemeinden, sich vom Beginn der Planung an begleiten zu lassen, damit die wesentlichen Ziele des Bauwerks definiert und idealerweise in die Wettbewerbsunterlagen aufgenommen werden können. Lenz: „Jedes Bauvorhaben ist ein Prototyp. Wir definieren auf einer halben Seite die wesentlichen Eckpfeiler der Nachhaltigkeit dieses Gebäudes: Soll es eine PV-Anlage geben? Wie sieht die Außengestaltung aus? Kann regionales Holz verwendet werden? Wie sieht es mit der Sommertauglichkeit aus? ... und anderes mehr.“

Im nächsten Schritt werden verschiedene Varianten berechnet und verglichen – sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Die Ergebnisse werden in einem so genannten Kommunalgebäudeausweis (KGA), einem Gebäudebewertungstool für öffentliche Gebäude, abgebildet und ein Ziel-KGA festgelegt, der die Kosten und die Qualität des Gebäudes festlegt. Dieser dient als Basis für den Gemeinderatsbeschluss und die Förderung durch das Land Vorarlberg. Zudem wird er durch akkreditierte Expert*innen vor Abnahme der Gebäude überprüft.

Der Kommunalgebäudeausweis ist seit 2011 in die Förderrichtlinien integriert. Er ist kein statisches Instrument, sondern wird von den zehn Personen, die Gebäude überprüfen können, jährlich weiterentwickelt. Aktuelle Themen sind z.B. die Klimawandelanpassung und die Kreislaufwirtschaft. „Wichtig ist uns, die Vorgaben pragmatisch zu halten, damit man gut damit arbeiten kann. Da haben wir durchaus auch Mut zur Lücke“, sagt Lenz. Die Leitlinien zum KGA sind Open Source – jede*r kann sie runterladen und selbst verwenden.

Ab einer Investition von einer Million Euro macht es Sinn, das Tool anzuwenden – bei mehr als drei Viertel der kommunalen Bauvorhaben wird es angewandt. „Wir haben, ehrlich gesagt, nicht mit dieser Breitenwirkung gerechnet“, sagt Lenz. „Gezogen hat, neben der Energie, vor allem die Bauökologie.“ Viele Gemeindegebäude beherbergen vulnerable Gruppen wie Kinder und alte Menschen. Sie reagieren besonders sensibel auf Schadstoffe wie Lösemittel und Formaldehyd. Das haben die Bürgermeister*innen erkannt und entsprechend reagiert.

Und wo lag das größte Hindernis? „Sorge hatten die meisten Gemeindevertreter*innen vor höheren Kosten. Aus langjähriger Erfahrung können wir heute sagen, dass nachhaltige Gebäude – über den Lebenszyklus gerechnet – meist kostengünstiger sind“, sagt Lenz. Die Wirtschaftlichkeit gehe mit einer energieeffizienten und kompakten Bauweise oft Hand in Hand. Viel relevanter für die Kosten sei eine gute Planung – dort liege das höchste Einsparungspotenzial, weil ein Kostenlimit vorgegeben werden kann, an dem sich die Planung orientieren muss.

Das Erfolgsmodell hat mittlerweile im Landkreis Ravensburg, Baden Württemberg, einen Nachahmer gefunden. „Da entsteht eine tolle Dynamik für den DACH-Raum am Bodensee“, freut sich Lenz.

Links:

Die Plattform „baubook öffentliche Gebäude“ liefert die dafür nötigen ÖkoBauKriterien, Produkte, Ausschreibungstexte, Planungshilfen und Kennzahlen. www.baubook.at/oea/