Rückschau und Zukunft: gemischte Gefühle
Wie hat sich die Wirtschaft entwickelt? Sind wir einer fairen Gesellschaft einen Schritt näher gekommen? Und was erwartet unsere Gesellschaft und unsere Unternehmen in den nächsten Jahren? Acht nachhaltige PionierInnen ziehen Bilanz und sagen wie es weitergehen soll(te).
Monika Auer, Generalsekretärin der ÖGUT
Gibt es nachhaltige Erfolge? Ja! Das zeigt sich an den vielen Labels und Standards für nachhaltige Produkte undDienstleistungen wie z.B. ÖGUT RIS oder klimaaktiv Gebäudestandard. Es gibt Vorreiter, die uns zeigen, wie nachhaltiges Wirtschaften in der Zukunft aussehen kann – im Magazin Businessart werden good practice Beispiele regelmäßig vor den Vorhang geholt.
Unternehmen geraten durch gesättigte Märkte, Globalisierung und neue Konsumtrends unter Druck. Gleichzeitig begünstigen Gesetze nach wie vor umweltschädliches Verhalten, Wirtschaftswachstum ist noch immer eine Prämisse, halbherziger Klimaschutz und übermäßiger Ressourcenverbrauch bedrohen unsere Lebensgrundlagen.
Wirtschaft braucht nicht „Schutz“, sondern langfristig vorhersehbare Rahmenbedingungen, die an Zukunftsfähigkeit für Wirtschaft, Mensch, Gesellschaft, Natur, Klima und Ressourcen ausgerichtet sind.
Dr. Michael Fembek, Herausgeber CSR-Guide, Programm-Manager Essl Foundation
Aus der Perspektive des CSR Guide-Machers sehe ich nicht, dass die Wirtschaft als Ganzes nachhaltiger geworden ist. Viel interessanter als die Gesamtschau sind aber einzelne Segmente im nachhaltigen Gesellschaft- und Wirtschaftsleben, wo sich Dinge zum Positiven bewegt haben:
Ein stark wachsendes Interesse an Neugründungen, Start-Ups, Social Business, oft – aber nicht nur – getrieben durch neue Informationstechnologien.
Eine neue Gründerkultur rund um natürliche, biologische, regionale, vegane Ernährung samt allen Lieferketten.
Das Bewusstsein, dass soziale Probleme, die durch Flüchtlinge und generell Zuwanderung nicht allein durch staatliche Institutionen zu lösen ist, sondern die Zivilgesellschaft und Unternehmen neue Lösungen entwickeln müssen.
Hier entsteht viel Neues und viel Kräftiges!
Mag. Elisabeth Freytag-Rigler, Leitung Abteilung EU Koordination Umwelt BMLFUW
Unsere Wirtschaft ist nachhaltiger geworden, weil das Bewusstsein für Ressourcenschonung gestiegen ist. Zum Beispiel hat Österreich 89 Millionen Plastiksackerl eingespart, viele coole Start-ups sind entstanden.
Die politischen Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden – man denke an den Brexit. Durch die Automatisierung wird es wohl schwieriger werden traditionelle Arbeitsplätze zu erhalten. In jedem Fall wird es einen Wandel geben. Ich begrüße den Trend zur Sharing Economy, wo man Autos und Waschmaschinen nicht mehr besitzt, sondern mietet.
Flexibilität wird notwendig sein – bei Unternehmen und bei ArbeitnehmerInnen: flexible Arbeitszeiten, die Bereitschaft, neue Jobs als Herausforderungen anzusehen, neue Produkte zu erfinden und neue Technologien anzuwenden.
Johannes Gutmann, Gründer und Inhaber Sonnentor
Wenn ich die Lippenbekenntnisse dazuzähle ist unsere Wirtschaft nachhaltiger geworden. Die Welt-Klimabündnisvereinbarungen beginnen langsam aber sicher zu wirken; verschiedene Unternehmungen wachsen gesund, sind sehr erfolgreich und finden damit Nachahmer. Wenn dann noch Taten folgen, bewegt sich die Wirtschaft langsam aber doch.
Auf unsere gesamte Gesellschaft kommt in den nächsten Jahrzehnten ein gravierender Wandel zu. Ich sehe großen Veränderungen bei Banken und Versicherungen (die Geldwirtschaft ist für über 90 % der Weltwirtschaft verantwortlich). Durch Digitalisierung und Robotereinsatz werden viele Menschen ihre Jobs verlieren. Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die Nachhaltigen Windmühlen! Notwendig dafür sind ermutigende politische Rahmenbedingungen und Anreizsysteme in die nachhaltige Richtung.
Dr. Thomas Hruschka, MAS, Wr. Umweltschutzabteilung Nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeitskoordinator Stadt Wien
In den vergangenen fünf Jahren ist unsere Wirtschaft nachhaltiger geworden, insbesondere auf der Prozessebene. Für die anstehende notwendige Wende im Sinne der Abkommen von Paris und der UN 2030 Strategie ist das allerdings zu wenig. Nach wie vor orientieren wir uns am Konzept des ewigen Wachstums. Als Biologe weiß ich, dass dieses Konzept per se nicht nachhaltig sein kann. Vielmehr muss, wie in der Natur, das Konzept des Fließgleichgewichts an dessen Stelle treten: es muss einen Ausgleich geben zwischen dem was in das System hineinkommt und dem was entnommen wird. Für die Wirtschaft bedeutet das einen Paradigmenwechsel, für den es auch die Politik und Gesellschaft braucht. Wir müssen das als Chance begreifen, mutig und flexibel sein. Mit kleineren Strukturen wie wir sie in Österreich vorfinden, können wir diese Herausforderungen besser bewältigen als multinationale Konzerne. Für die heimische Wirtschaft hat das auch Zukunftspotenzial.
Dr. Fred Luks, Leiter Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit WU
Ist unsere Wirtschaft in den letzten fünf Jahren nachhaltiger geworden? Jein. Zwischen realer und gefühlter Nachhaltigkeit besteht eine Lücke: Einerseits gibt es tolle Initiativen in Unternehmen (z.B. im Umweltmanagement), andererseits ist der Abstand zu einer global verträglichen Wirtschaftsweise noch sehr groß. Ein wichtiger Grund sind die Rahmenbedingungen. Kostenwahrheit wäre ein großer Schritt – wo bleibt die ökologische Steuerreform?
Der rasante digitale Wandel berührt praktisch sämtliche wirtschaftlichen Prozesse. Zudem schreitet die Globalisierung voran – bei gleichzeitigen Deglobalisierungsschüben. Der faktenenthobene Populismus betrifft auch die Wirtschaft, die Klimaveränderungen werden alles ändern. Und: Überraschungen. Um diese Herausforderungen als Chance zu nutzen brauchen wir Offenheit – nach innen und nach außen. Das heißt auch: „schräge“ Karrierewege ermöglichen. Umwege erhöhen die Ortskenntnis.
Mag a KommR Ursula Simacek, Präsidentin respACT, CEO Simacek Facility Management Group GmbH
Die vielen Einreichungen zum Trigos Award und die hohe Mitgliederbeteiligung zu nachhaltigen Themen zeigen eine wachsende Zahl an interessierten Unternehmen aus allen Branchen und Unternehmensgrößen.
Andererseits gibt es noch genug zu tun wie uns am CSR Tag eindrucksvoll vor Augen geführt wurde – wie Österreich im internationalen Vergleich zu den SDGs dasteht und wo wir unsere "blinden Flecken" haben. Die Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle.
Die demographischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zwingen Unternehmen sich der Diversität in allen Dimensionen zu stellen: Alter, Ethnie, personelle Vielfalt bis hin zur Familienfreundlichkeit. Gut ausgebildete MitarbeiterInnen heuern lieber bei Unternehmen mit entsprechender Familienkultur an! Zunehmen wird das ermitteln und messen der nachhaltigen Auswirkungen. Die Umfeldwirkung ist enorm und betrifft die gesamte Wertschöpfungskette dieser Unternehmen und somit auch Partnerunternehmen, Lieferanten und eine Reihe weiterer Stakeholder. Durch die rasch voranschreitende Digitalisierung sind Datenschutz und weitere Compliants sehr gefordert. Da Nachhaltigkeit erwiesener Maßen auch Quelle für Innovation ist bieten sich viele Chancen nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich zu sein!
Mag. Andrea Sihn-Weber, Head of Group Sustainability Management Raiffeisen Bank International AG, Geschäftsführerin Raiffeisen Klimaschutz Initiative
Die Wirtschaft agiert zunehmend nachhaltiger, weil das Bewusstsein dafür – auch durch Druck von Gesetzgeber und Öffentlichkeit – steigt. Globale Initiativen wie die UN-Sustainable Development Goals oder die Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz verstärken diese Entwicklung. Global betrachtet gibt es auch Rückschläge – Stichwort Kohlekraftwerke und Rohstoffgewinnung.
Um den Umbruch durch Digitalisierung, Risiken durch den Klimawandel, geänderte Lebensstile und Auswirkungen auf Konsumgewohnheiten und Mobilität, Alterung der Gesellschaft, voranschreitende Urbanisierung, steigende rechtliche Anforderungen u.v.m. positiv zu bewältigen braucht es vor allem drei Fähigkeiten: Innovationskraft, Resilienz und visionäres Denken.