Verena Brandtner-Pastuszyn und Georg Pastuszyn, Henriette Stadthotel
Seit 2018 hat sich das Henriette Stadthotel in Wien zur Gänze der Gemeinwohlökonomie verschrieben und ist damit absoluter Vorreiter in der Branche.
Dem Familienbetrieb ist ein ethisches Wirtschaftsmodell, bei dem nicht nur der wirtschaftliche Erfolg, sondern das Wohl von Mensch und Umwelt an oberster Stelle steht, wichtig. Das Hotel ist darüber hinaus mit dem Österreichischen Umweltzeichen und dem Europäischen Ecolabel ausgezeichnet.
BUSINESSART: Was ist das ganz Besondere an Ihrem Haus?
Georg und Verena Pastuszyn: Wir sehen das, was wir tun, nicht als etwas Besonderes. Wir schätzen unsere Gäste, wir schätzen die Mitarbeiter*innen, wir leben eine offene freundliche Art, wir sind Individualisten. Die Gäste schätzen das persönliche Ambiente, unseren Fokus auf Wien und sie sind angetan von der entspannten Atmosphäre im Haus. Das ist für uns selbstverständlich, es ist unser Bekenntnis, das gute Leben zu fördern.
Wie schaffen Sie es, diese Atmosphäre im Hotel auszustrahlen?
Es hat mit der Kultur zu tun, wie wir miteinander umgehen. Wertschätzung ist uns beispielsweise sehr wichtig. So haben wir im Frühjahr im Intranet des Hotels eine ‚Gut gemacht‘ Gruppe gestartet. Alle sind eingeladen, das Augenmerk auf das Positive zu legen und das den anderen auch mitzuteilen. Mehr als 700 Einträge gibt es dort bereits und die Mitarbeiter*innen schätzen das sehr. Normalerweise wird ja nur auf die Fehler geschaut, auf das, was nicht funktioniert. Das gibt keine Energie. Lob hingegen, sich gegenseitig zu sagen: "toll wie du das gemacht hast", das fördert eine positive Stimmung und verändert in kurzer Zeit das Klima.
Sie stehen als Familienbetrieb in Konkurrenz zu großen, internationalen Ketten. Ist es diese besondere Atmosphäre, mit der Sie Ihre Gäste überzeugen können?
Die großen Ketten haben sicher ganz andere Möglichkeiten, finanziell und arbeitstechnisch. Trotzdem sind ein Großteil der 25 Top Hotels auf Tripadvisor in Wien privat geführte Häuser. Wir stehen vor anderen Herausforderungen. Als Kleine müssen wir trotzdem immer am Ball bleiben, in die Aus- und Weiterbildung investieren und uns vieles selbst erarbeiten. Wir können auf der anderen Seite mit Individualität punkten und Entscheidungen nach unseren Vorstellungen treffen. Die Mitarbeiter*innen haben einen leichteren Zugang zur Chefetage, sie können sich einbringen, alles ist persönlicher. Einige sind schon sehr lange bei uns. Das ist ein riesiger Vorteil in der Branche. Wir bilden auch Lehrlinge aus und wurden erst heuer als Top-Lehrbetrieb ausgezeichnet. Viele bleiben bei uns, einige sind bereits in führenden Positionen. Diesbezüglich verstehen wir unsere Branche nicht. Alle jammern, dass es keine guten Mitarbeiter*innen gibt und nur wenige sind bereit, sie auszubilden. Wir sind überzeugt davon dass wir es aufgrund unserer Positionen und Werte in Zukunft immer leichter haben werden, gute Mitarbeiter*innen zu bekommen.
Sie bilanzieren nach dem Konzept der Gemeinwohlökonomie. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Nachhaltigkeit war uns immer schon wichtig und wir haben nie den wirtschaftlichen Erfolg über alles gestellt. Wir wollen auch sozial und ökologisch erfolgreich sein. Wir wollen einfach das Gute leben. Als wir das Konzept der Gemeinwohlökonomie entdeckten, war das für uns ein Aha-Erlebnis. Plötzlich hatten wir einen Rahmen für das, was wir schon bisher gemacht haben. Bei der ersten Prüfung konnten wir gleich 398 Punkte erreicht. Das heißt, dass wir die Minimumanforderungen um fast 40 Prozent übererfüllen. Wir sind in vielem schon sehr weit, haben aber noch viel Luft nach oben. Nachholbedarf haben wir z.B. bei der Kommunikation, sowohl nach außen als auch intern. Wir agieren seither daher stärker nach dem Motto "Tue Gutes und sprich darüber!"
Ihr Hotel ist auch mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet.
Ja, bereits seit 2005. Damit sind wir unter den ersten ausgezeichneten Hotels in Wien. Wir haben es bislang nur nie wirklich kommuniziert. Seither haben wir viele kleine Schritte gemacht. Seifenspender statt Einweg-Seifen, umweltverträgliche Putzmittel, regionale Lieferanten – 86% des Frühstücksbuffets kommt aus der Region! Wir haben die Beleuchtungssysteme auf LED getauscht, wir beziehen Ökostrom, haben die Ölheizung zugunsten einer Luft-Luft-Wärmepumpe rausgeworfen und brauchen jetzt nur noch Strom und Wasser als Ressourcen, um nur einiges zu nennen. Mittlerweile sagen wir auch unseren Gästen, was wir alles tun und das wird sehr gut aufgenommen. Es kommen auch immer mehr Gäste, die genau das suchen.
Wie können wir den Klimawandel stoppen?
Jede*r muss in seinem Bereich tun, was möglich ist. Und weil nicht alle den gleichen Eigenantrieb haben, muss die Politik Rahmenbedingungen vorgeben. Grandios wären natürlich steuerliche Anreize für Betriebe, die sich engagieren.
Haben Sie hohe Mehrkosten wegen Ihres nachhaltigen Engagements?
Ehrlich gesagt haben wir uns das noch nie ausgerechnet, aber wahrscheinlich schon als wenn man nur immer auf die Kosten achten würde. Wir haben aber nicht das Gefühl, dass wir draufzahlen. Wir hatten auch das Glück, ein gesundes Unternehmen zu übernehmen. So konnten wir auch entsprechend agieren.
Was sagen Sie zu Friday for Future?
Es ist eine großartige Sache, dass sich viele Menschen klar positionieren und eine Veränderung einfordern, dass sich die Jugend auf die Beine stellt, der man nachsagt, sie sei unpolitisch. Es ist wirklich sehr bemerkenswert, wie es eine junge Frau geschafft hat, eine weltweite Bewegung in Gang zu setzen.
Wo liegen die Wurzeln für ihr nachhaltiges Engagement?
Wir kommen beide aus Familienunternehmen und haben immer schon erlebt, was es heißt, Verantwortung zu tragen - für das was man selbst tut und für die kommende Generation. Wir haben schon als Kinder gelernt, dass es sich auszahlt, die Dinge gut zu machen. Und es wäre ganz egal, in welchem Business wir letztendlich gelandet wären, wir hätten es genauso gemacht. Mit Qualität, mit unseren Mitarbeiter*innen und für unsere Kund*innen. Einfach eine Cash-Cow zu bedienen und Geld zu scheffeln, das sind wir nicht.
Welche Werte braucht es für eine gute Zukunft?
Respekt im Sinne von Achtsamkeit gegenüber dem Leben, gegenüber der Umwelt und anderen Menschen. Sich selbst darf man dabei auch nicht vergessen. Wir möchten uns ohne schlechtes Gewissen in den Spiegel schauen können. Uns geht es einfach besser, wenn es auch den anderen gut geht.
Wie gelingt es Ihnen, auch auf sich selbst zu schauen?
Als Unternehmer*in ist es natürlich schwer, eine Grenze zu ziehen. Der Beruf hat Einfluss auf das Private, der Übergang ist fließend. Wir haben den persönlichen Einsatz reduziert, indem wir gute Strukturen geschaffen haben. Wir müssen nicht immer da sein und alles machen. Es hat auch etwas mit Respekt vor den Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen zu tun. Jemand, der eine Aufgabe bekommt und diese gut erledigt ist ja stolz darauf. Mittlerweile sind unsere Mitarbeiter*innen die Gastgeber*innen. Wir agieren im Hintergrund und kümmern uns um die Rahmenbedingungen.
Der Satz eures Lebens?
Hab Vertrauen. Das Leben liebt dich.
Verena Brandtner-Pastuszyn und Georg Pastuszyn
Henriette Stadthotel
Gegründet: 1997
Sitz: Wien
Mitarbeiter*innen: 30
Website: www.hotelhenriette.at